Quälen sich Patienten mit Lumbalgien oder Dorsalgien, ist guter Rat teuer. Nicht jede Therapie führt zur Besserung. Finden Ärzte keine Grunderkrankung, bleiben NSAIDs plus moderate körperliche Aktivität das Mittel der Wahl, fraglich ist die Wirkung von Paracetamol.
Deutschland hat Rücken: Wie aus neuen Daten der Techniker Krankenkasse (TK) hervorgeht, entfielen in Rheinland-Pfalz fast zehn Prozent aller Krankschreibungen auf Rückenschmerzen. Das entspricht umgerechnet 1,5 von 16,14 Tagen. Erfahrungsgemäß sind nicht nur Erwerbstätige mit schwerer körperlicher Tätigkeit betroffen, sondern auch Personen, die viel im Sitzen arbeiten. Wenige Monate zuvor hatte die Barmer GEK vor „deutlichen Fehlentwicklungen“ bei der Versorgung gewarnt. Zwischen 2006 und 2014 war die Zahl an stationären Patienten von 282.000 bis auf 415.000 angewachsen. In jedem dritten Fall kam es lediglich zur bildgebenden Diagnostik ohne weitere Therapie. „Damit die Betroffenen erst gar nicht in der Klinik landen, muss die Behandlung viel früher ansetzen, bevor sich die Schmerzen chronifizieren“, sagt Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer GEK. Ein kritischer Blick auf mögliche Strategien.
Anneliese Bodemar, Leiterin der TK in Rheinland-Pfalz, rät Menschen mit Rückenschmerzen, körperliche Aktivitäten in ihren Tagesablauf zu integrieren, etwa auf dem Weg zur Arbeit. „Idealerweise sollte man den Tag gleich mit Bewegung beginnen. Zehn Minuten nach dem Aufstehen reichen schon für einen aktiven Start.“ Daniel Cherkin aus Seattle setzt eher auf Entspannung. Der Forscher wollte wissen, ob Patienten nachweislich von der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion (Mindfulness-Based Stress Reduction, MBSR) profitieren. Er rekrutierte 342 Erwachsene zwischen 20 und 70 Jahren, die im Schnitt seit 7,3 Jahren an Rückenschmerzen litten. Sie wurden randomisiert drei Gruppen zugeordnet und erhielten MBSR (116 Personen), kognitive Verhaltenstherapien (CBT; 113 Personen) oder konventionelle ärztliche Hilfe (113 Personen). Allen Personen stand es jedoch frei, Mediziner bei Bedarf zu konsultieren. Nach 26 Wochen mussten die Teilnehmer auf einer Skala von null bis zehn Punkten ihre Beschwerden quantifizieren. Um ihre funktionelle Einschränkung zu bewerten, zog Cherkin einen modifizierten Roland Disability Questionnaire (RDQ) heran. Sowohl unter MBSR (60,5 Prozent) als auch unter CBT (57,7 Prozent) kam es signifikant häufiger zu klinisch relevanten funktionalen Verbesserungen als in der Vergleichsgruppe (44,1 Prozent). Auch hinsichtlich der Beschwerden schnitten MBSR (Besserung bei 43,6 Prozent) und CBT (44,9 Prozent) deutlich besser als die Basisversorgung ab (26,6 Prozent). Erstaunlich ist, dass nur jeder zweite Teilnehmer der Interventionsgruppen an sechs von acht Sitzungen teilgenommen hatte. Eine gewisse Erwartungshaltung lässt sich nicht leugnen.
Deutlich schlechter schneiden Physiotherapien mit Manipulation der Wirbelsäule ab, berichtet Julie M. Fritz aus Salt Lake City. Im Mittelpunkt ihrer randomisierten Studie standen 220 Teilnehmer mit mittleren bis starken Schmerzen gemäß Oswestry Disability Index (ODI). Die Skala reicht von null bis 100 Punkten. In der Physiotherapie-Gruppe erhielten Betroffene Wirbelsäulenmanipulationen und ein Übungsprogramm. Teilnehmer der Vergleichsgruppe bekamen einen Ratgeber mit dem Hinweis, sich regelmäßig zu bewegen. Nach drei Monaten sank der ODI-Score von 41,3 Punkten auf 11,1 Punkte (Physiotherapie) beziehungsweise von 40,9 Punkten auf 14,5 Punkte (Vergleichsgruppe). Fritz schreibt, der Unterschied sei zwar statistisch signifikant, aber nicht klinisch relevant. Nach zwölf Monaten hatten alle Teilnehmer schließlich ODI-Werte unter zehn erreicht.
Entscheiden sich Patienten doch für ein Schmerzmittel, fällt ihre Wahl oft auf Paracetamol. Bruno R. da Costa aus Bern ging der Frage nach, ob das Pharmakon bei Beschwerden aufgrund von Knie- und Hüftarthrosen überhaupt wirkt. Über Literaturrecherchen fand er 8.973 Veröffentlichungen. Er schloss 74 randomisierte Studien mit 58.556 Patienten in seine Analyse ein. Im Unterschied zu NSAIDs wie Diclofenac zeigte Paracetamol keinen nennenswerten Effekt. Die Veröffentlichung erstaunt nicht wirklich: Einige Zeit zuvor kam Christopher M. Williams aus Callaghan, Australien, bei Kreuzschmerzen zu ähnlich vernichtenden Resultaten. Er verglich im Rahmen einer randomisierten Studie Paracetamol mit Placebo – ohne signifikante Unterschiede aufzuspüren. Weitere Daten kommen von Benjamin W. Friedman, New York. Er nahm 323 Patienten mit akuten Rückenschmerzen in eine Studie auf. Sie waren im Schnitt 39 Jahre alt und hatten auf dem Roland-Morris-Disability Questionnaire (RMDQ) mindestens fünf von 24 möglichen Punkten. Friedmanns Kollegen verordneten zweimal täglich 500 Milligramm Naproxen als Basistherapie. Zusätzlich setze er Oxycodon plus Paracetamol, ein Muskelrelaxans oder Placebo ein. Anfangs lag der RMDQ-Score im Median bei 20 Punkten. Nach einer Woche hatten sich die Beschwerden um 9,8 Punkte (Naproxen plus Placebo), 10,1 Punkte (Naproxen plus Muskelelaxans) und 11,1 Punkte (Naproxen plus Oxycodon plus Paracetamol) gebessert. Statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen gab es nicht. Friedmann rät Ärzten und Apothekern deshalb, bei akuten Rückenschmerzen, die nicht von Unfällen oder Grunderkrankungen herrühren, lediglich NSAIDs abzugeben. Weniger ist mehr.