Bei Patienten mit akutem Herzinfarkt (STEMI) haben die Behandlungszeiten enormen Einfluss auf die Sterblichkeit. Gelingt die Wiedereröffnung des verschlossenen Infarktgefäßes innerhalb von 90 Minuten nach dem Erstkontakt, ist die Sterblichkeitsrate dreimal so niedrig.
In der Studie wurde an knapp 20.000 Patienten aus dem FITT-STEMI-Projekt der Einfluss der Zeitspanne vom Symptombeginn bis zum medizinischen Erstkontakt sowie der Einfluss der Contact-to-balloon-Zeit (C2B) auf die Sterblichkeit analysiert. Am Gesamtprojekt nehmen aktuell 48 Klinik-Einrichtungen mit zentralem Herzkatheter-Labor und mehr als 200 kooperierende Krankenhäuser ohne Herzkatheter-Labor teil. Der Unterschied in der Prognose bei kurzer gegenüber längerer Zeit bis zur Behandlung war besonders ausgeprägt in der Patientengruppe mit sehr kurzer Symptomdauer. Hier lag die Sterblichkeit bei einer Contact-to-balloon-Zeit von bis zu 90 Minuten bei vier Prozent, bei mehr als 90 Minuten erhöhte sich die Sterblichkeit auf 15,9 Prozent. Für die Forscher überraschend fand sich aber auch bei längeren (6 bis 12 Stunden) und sehr langen (12 bis 24 Stunden) Zeitintervallen zwischen Symptom-Beginn und medizinischem Erstkontakt eine signifikant bessere Überlebensrate bei Patienten, die innerhalb von 90 Minuten behandelt wurden. Prof. Dr. Karl Heinrich Scholz, Chefarzt vom Hildesheimer St. Bernward Krankenhauses: „Der lebensrettende Effekt einer schnellen Behandlung ist also auch eindeutig nachweisbar bei langen Symptomdauern bis zu 24 Stunden. Somit muss auch bei einem Infarkt mit längerer Symptomdauer alles unternommen werden, die Behandlungszeiten so kurz wie irgend möglich zu halten.“
Anhaltende und lebensbedrohliche Herzdurchblutungs-Störungen (Akutes Koronarsyndrom) sind die häufigste Ursache für einen Herz-Kreislauf-Stillstand bei Erwachsenen. Eine weitere Studie im Rahmen des FITT-STEMI-Projekts zeigt, dass eine Wiedereröffnung der Herzkranzgefäße (Rekanalisation) innerhalb von 90 Minuten nach medizinischem Erstkontakt die Sterblichkeit bei reanimierten STEMI-Patienten halbiert. Das könne erreicht werden durch eine prähospitale EKG-Diagnose und eine Direktübergabe des Patienten in ein Herzkatheter-Labor. „Beide Maßnahmen gehen bei reanimierten STEMI-Patienten mit einem Zeitgewinn und einer signifikanten Prognose-Verbesserung einher“, so PD Dr. Claudius Jacobshagen vom Herzzentrum Göttingen. „Daher sollte nach Wiederherstellung des Spontan-Kreislaufs prähospital ein 12-Kanal-EKG geschrieben werden, um STEMI-Patienten zu identifizieren und diese direkt in ein Herzkatheter-Labor zu verbringen. Es kann diskutiert werden, ob nicht grundsätzlich alle reanimierten erwachsenen Patienten primär ins Herzkatheter-Labor gebracht werden sollten.“
In der Realität werden Patienten nach Wiederherstellung des Kreislaufs häufig zunächst in eine Notaufnahme oder auf die Intensivstation gebracht, um dort die weitere Stabilisierung und Diagnostik durchzuführen. „Hierdurch geht möglicherweise wertvolle Zeit verloren“, so PD Jacobshagen. Welche prognostische Bedeutung ein prähospitales 12-Kanal-EKG und die Direktübergabe des reanimierten Patienten im Herzkatheter-Labor haben, sei bisher nicht bekannt gewesen. Originalpublikationen: Die STEMI-Behandlung innerhalb von 90 Minuten ist unabhängig von der Symptomdauer lebensrettend - Ergebnisse bei 20.000 Patienten aus FITT-STEMI Karl Heinrich Scholz et al.; Clin Res Cardiol 105, Suppl 1, March 2016 Reanimierte STEMI-Patienten: Prähospitales EKG, Direkt-übergabe im Katheterlabor und Rekanalisation innerhalb von 90 Minuten verbessern die Prognose - Ergebnisse aus dem FITT-STEMI-Programm Claudius Jacobshagen et al.; Clin Res Cardiol 105, Suppl 1, March 2016