Apple verspricht, per iPhone Forschung und Therapie zu verbessern. Nach Einführung des „ResearchKits“ stellt der Konzern ein „CareKit“ vor – und stößt auf großes Interesse. Kein Wunder, denn öffentliche Health-IT-Infrastrukturen stecken nach wie vor in den Kinderschuhen.
Gesundheit am Puls der Zeit: Laut repräsentativen Umfragen von Bitkom Research nutzen derzeit 31 Prozent aller Konsumenten ab 14 Jahren Fitness-Tracker. Besonders hoch im Kurs stehen Fitness-Armbänder (18 Prozent), Smartphones mit Fitness-Apps (13 Prozent) oder Smartwatches (sechs Prozent). User erfassen besonders häufig ihre Schrittzahlen sowie die zurückgelegte Strecke. Auch für chronisch kranke Menschen nimmt die Zahl an Apps stetig zu. Diesen Datenschatz versucht Apple nun zu heben.
Vor mehr als einem Jahr ging deshalb Apples „ResearchKit“ als Tool für die medizinische Forschung an den Start. Es handelt sich um ein offenes Software-Framework, um Entwickler mit ins Boot zu holen. Falls Anwender zustimmen, greift die App auf bereits installierte kleine Programme anderer Hersteller zu, um beispielsweise Gewicht, Blutdruck, Blutzuckerspiegel oder die Nutzung von Asthmasprays zu erfassen. Außerdem gelingt es Wissenschaftlern deutlich leichter, Patienten für Studien zu rekrutieren. „Asthma Health“ sammelt die Daten der User, um unbekannte Auslöser zu finden, die die Symptome verschlimmern. © Apple Einige Beispiele: Neurologen der University of Rochester fanden mit ihrer „mPower Study“-App über 10.000 Teilnehmer für die bislang größte Parkinson-Studie. Per Smartphone messen Patienten Geschicklichkeit, Gleichgewicht, Gang und Gedächtnis. Aus diesen Daten ermitteln Forscher, welchen Einfluss Verhaltensweisen auf die Symptome haben. Ähnlich erfolgreich waren Kardiologen von Stanford Medicine mit ihrer „MyHeart Counts“-App. Innerhalb kürzester Zeit meldeten sich 11.000 Teilnehmer an. Hier geht es um den Zusammenhang zwischen kardiovaskulären Risiken und Lebensstil-Einflüssen. An der Icahn School of Medicine, New York, entstand „Asthma Health“. Rund 2.500 Patienten erklärten sich bereit, über diese App Daten für die Asthma Research Study zu erfassen. Ziel ist, bislang unbekannte Auslöser zu identifizieren, die Symptome verschlimmern. „Autism & Beyond“, eine App der Duke University, Durham, erfasst per HD-Frontkamera emotionale Reaktionen von Kindern. Dahinter verbirgt sich ein telemedizinisches Screening auf Autismus. Und per „EpiWatch“ hofft ein Team der Johns Hopkins University, Baltimore, epileptische Anfälle vielleicht schon bald vorherzusagen. Momentan werten sie Daten von Apple Watches aus. Nicht zuletzt ein Beispiel aus Deutschland: Am Universitätsklinikum Freiburg untersuchen Ärzte per „Back on Track“-App, wie Kreuzbandrupturen behandelt werden. Ihr Ziel ist, Behandlungsmethoden zu verbessern.
Vom Erfolg des „ResearchKits“ angespornt, begann Apple, „CareKit“ als weitere Plattform in den Markt einzuführen. Zu Beginn stehen Patienten vier Module zur Verfügung. Beim „CareKit“ stehen dem Patienten derzeit vier Module zur Verfügung. © Apple „Care Card“ hilft ihnen, Anweisungen von Health Professionals besser zu befolgen, etwa Medikamente richtig anzuwenden oder physiotherapeutische Übungen korrekt auszuführen. Hier greifen kleine Programme auf Sensoren in Apple Watches und iPhones zu. Um Symptome wie Fieber oder Schmerzen zu erfassen, kommt ein „Symptom and Measurement Tracker“ mit hinzu. Der nächste Baustein, nämlich „Insight Dashboard“, fungiert als Schnittstelle. Ärzte können mit Aufzeichnungen ihrer Patienten Symptome und Interventionen, etwa eine geänderte Analgesie, in Korrelation bringen. Bleibt noch „Connect“, um Daten nach Zustimmung mit Health Professionals oder Familienmitgliedern zu teilen. Entwickler haben für das „CareKit“ eine App zur postoperativen Nachbehandlung, zur Behandlung chronischer Krankheiten allgemein oder speziell zur Therapie von Diabetes in ihrer Pipeline.
Apple hat zeitgleich mit der Einführung beider Plattformen seine Strategie grundlegend geändert. War der Konzern früher durchaus bereit, Behörden beim „Knacken“ von iPhones zu unterstützen, stehen Patienten jetzt an erster Stelle. Der Konzern weigerte sich, das Gerät eines in San Bernardino erschossenen Terroristen zu entsperren. Kalifornische Richter wollten Apple verpflichten, FBI-Ermittler „angemessen“ zu unterstützen. Sie beriefen sich auf den All Writs Act von 1789. Bundesgerichtshöfe können im Zuge ihrer Arbeit „Writs“, also formale Anordnungen, gegen Dritte stellen. Apple-Juristen meldeten Zweifel an und beteiligten sich nicht am gewaltsamen Eindringen in das Gerät. Daraufhin schritten professionelle Hacker zur Tat. Firmenvertreter betonten, die Sicherheitslücke habe nur eine „kurze Haltbarkeit“ und werde im Rahmen einer normalen Software-Weiterentwicklung beseitigt. „Apple glaubt fest daran, dass die Menschen in den USA und in der ganzen Welt ein Recht auf Datenschutz, Sicherheit und Privatsphäre haben“, heißt es in einer Stellungnahme.
Dass Ärzte und Patienten von Apples neuen Plattformen gleichermaßen angetan sind, erstaunt nicht wirklich. Staatliche Digitalisierungsmaßnahmen im Gesundheitswesen fördern primär die Telemedizin und den sektorübergreifenden Informationsaustausch. Patienten kommen darin nur indirekt vor. Auch die elektronische Gesundheitskarte steckt noch in den Kinderschuhen - viele Funktionen kommen erst in den nächsten Jahren. Patienten, die Vitalparameter selbst überwachen wollen, bleibt nur, selbst aktiv zu werden.