Eine schwedische Studie sorgte in den vergangenen Wochen für einige Schlagzeilen: Chronischer Schlafmangel soll die Mortalität nicht erhöhen, wenn man den Schlaf am Wochenende einfach nachholt. Doch ist diese Erkenntnis wirklich neu?
Menschen mit chronischem Schlafmangel leben gefährlich: Wer weniger als sechs Stunden pro Nacht schläft, hat ein erhöhtes Risiko an kardiovaskulären Erkrankungen und Typ-2-Diabetes zu erkranken, so die aktuelle Studienlage. Was schwedische Wissenschaflter nun herausgefunden haben, sorgte vor einigen Tagen für Schlagzeilen. Schlafmangel unter der Woche habe keine gesundheitlichen Nachteile sofern das Defizit durch Ausschlafen am Wochenende ausgeglichen wird. Doch ist das wirklich neu?
Die Wissenschaftler um Torbjörn Åkerstedt vom Stockholmer Karolinska Institut wollten herausfinden, inwiefern die Mortalität durch Schlafgewohnheiten – inbesondere am Wochenende – beeinflusst wird. Die untersuchten Probanden waren Teil der Swedish National March Cohort (SNMC) und nahmen im September 1997 an verschiedenen Orten Schwedens an einer Benefizveranstaltung der Swedish Cancer Society teil. Sie wurden gebeten einen 36-seitigen Fragebogen über Lebensgewohnheiten und Krankheitsgeschichte auszufüllen. Über 43.000 Fragebögen wurden zurückgeschickt. Nach Anwendung der Ausschlusskriterien werteten die Forscher die Schlaf- und Lebensgewohnheiten von 38.000 Menschen aus. Die Forscher registrierten 3.234 Todesfälle bis zum Ende des Follow-Up 13 Jahre später. Die Hauptursachen waren Krebs (n = 1515) und kardiovaskuläre Erkrankungen (n = 1017). Um Aussagen über die Mortalität in Zusammenhang mit den Schlafgewohnheiten treffen zu können, berücksichtigte das Team in ihrer Analyse unter anderem folgende Einflussfaktoren: Body-Mass-Index, Bildung, körperliche Aktivität, Alkohol-, Tabak- und Kaffeekonsum. Die Probanden wurden aufgrund ihrer angegebenen Schlafgewohnheiten in unterschiedliche Gruppen unterteilt: In der „short-short“-Gruppe befanden sich zum Beispiel Probanden, die an einem Arbeitstag und an einem freien Tag weniger als fünf Stunden schlafen. Zu der „short-medium/long“-Gruppe gehörten Personen, die Werktags weniger als fünf, am Wochenende aber mindestens sieben oder sogar mehr als neun Stunden schliefen. In die „medium-medium“ bzw. „medium-long“ -Kategorien fielen mit über 60 Prozent die meisten Probanden. Sie schliefen wochentags etwa sieben Stunden und am Wochenende sieben oder sogar mehr als neun. Die „medium-medium“-Gruppe galt als Referenzgruppe.
Verglichen mit Personen, die konstant sechs oder sieben Stunden schliefen („medium-medium“), wiesen Probanden der „short-short“-Gruppe unter 65 Jahren ein bis zu 65 Prozent erhöhtes Sterberisiko auf. Kein erhöhtes Risiko hatte jene Gruppe, die zwar unter der Woche wenig schlief, am Wochenende dafür länger („short-medium/long“). Bei Probanden, die jeden Tag länger als neun Stunden schliefen, erhöhte sich das Sterberisiko um 25 Prozent. Für Personen über 65 Jahren konnte kein Zusammenhang zwischen Schlafgewohnheit und Mortalität ermittelt werden.
Neu ist die Erkenntnis, dass zu wenig sowie zu viel Schlaf mit gesundheitlichen Risiken einhergeht, nicht. Schon zahlreiche Studien haben sich dem Thema Schlafdefizit zuvor gewidmet. Laut Autoren sei das Besondere an ihrer Studie, dass ein besonderer Fokus auf die Schlafgewohnheiten an arbeitsfreien Tagen gelegt wurde. Das Problem bei anderen Studien sei nämlich folgendes: Da der durchschnittliche Arbeitnehmer an fünf Tagen arbeitet, gibt er auf die Frage nach den üblichen Schlafgewohnheiten womöglich eher Auskunft zur Schlafdauer an Arbeitstagen anstatt am Wochenende, so die Autoren. Åkerstedts Analyse ließe einen differenzierten Blick auf Schlafgewohnheiten in Zusammenhang mit Mortalität zu. Die Studie bestätigt deshalb die Annahme, dass sich die gesundheitlichen Risiken durch Schlafdefizit in gewissem Rahmen ausgleichen lasse. Man müsse den Schlaf nur nachholen. Das hatten Forscher in der Vergangenheit schon in Zusammenhang mit Bluthochdruck bei Erwachsenen und Übergewicht bei Kindern beobachtet: Probanden, die zwar unter der Woche unter Schlafmangel litten, aber am Wochenende auschliefen, hatten ein geringeres Risiko an Bluthochdruck zu erkanken bzw. waren seltener übergewichtig als Probanden, die konstant zu wenig schliefen. Eine Schwäche der Kohortenstudie ist, dass die Daten zu Schlafgewohnheiten lediglich einmal zu Beginn des untersuchten Zeitraums mithilfe eines Fragebogens erhoben wurden. Aufgrund des Studiendesigns verfolgten die Forscher nur, welche Probanden starben, befragten sie aber nicht noch einmal zu ihren Schlafgewohnheiten. Teilnehmer könnten ihre Schlafgewohnheiten in dieser Zeit geändert haben. Eine Verzerrung der Ergebnisse können die Forscher dadurch nicht ausschließen.