Subjektives Wohlbefinden lässt sich anhand verschiedener Gen-Varianten erklären. Auch Depressionen und neurotische Verhaltensmuster können auf die Genetik rückgeführt werden. Größere Studien sollen die Repräsentanz dieser Befunde künftig stärken.
Mit Instrumenten der Längsschnittstudie Sozio-ökonomisches Panel (SOEP) wurden Daten zu Lebenszufriedenheit und Glück im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DWI Berlin) erhoben. Die SOEP-Daten wurden mit genetischen Variablen kombiniert, die unter Prof. Lars Bertram, der Lübecker Interdisziplinären Plattform für Genomanalytik (LIGA) der Universität zu Lübeck erhoben und ausgewertet wurden. „Psychologisches Wohlbefinden wird größtenteils durch die Umwelt, aber auch durch genetische Faktoren beeinflusst. Welche genetischen Faktoren dabei eine Rolle spielen, war bis jetzt nahezu unbekannt“, erklärt Gert G. Wagner vom DIW Berlin und Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.
In ihrer Studie haben die Wissenschaftler nun drei genetische Varianten identifiziert, die mit subjektivem Wohlbefinden im Zusammenhang stehen. Sie fanden auch elf genetische Varianten für Neurotizismus und zwei für Depressionen. Die genetischen Varianten für Depressionen konnten von den Forschern in einer unabhängigen Stichprobe von 370.000 zusätzlichen Studienteilnehmern repliziert werden. Die Studie zeigt auf, dass die genetischen Varianten für Neurotizismus und Depression auch mit Wohlbefinden im Zusammenhang stehen und umgekehrt. „Obwohl die genauen biochemischen Mechanismen, die diesen Befunden zugrunde liegen, noch weitestgehend ungeklärt sind, scheinen die identifizierten Genorte die Regulation der Genexpression des Gehirns zu beeinflussen. Hierauf können nun zukünftige funktionell-genetische Experimente aufbauen“, sagt Lars Bertram.
Trotz der ausgeprägten statistischen Signifikanz der Befunde seien die identifizierten Gene nur für einen Bruchteil der Erblichkeit von psychologischem Wohlbefinden verantwortlich und erklären weniger als ein Prozent der Unterschiede im Wohlbefinden in der Bevölkerung, betonen die Autoren. Sie gehen jedoch davon aus, dass künftig durch noch größere Studien, für die Stichproben von Menschen in der Größenordnung von mehreren Millionen analysiert werden, weitere genetische Varianten für psychologisches Wohlbefinden gefunden werden. „Es ist jedoch absehbar, dass am Ende wahrscheinlich nicht mehr als 20 Prozent der Unterschiede im Wohlbefinden in der Bevölkerung anhand von genetischen Daten statistisch erklärt werden können“, sagt Dr. Philipp Köllinger von den Universitäten Amsterdam und Rotterdam und dem Research Fellow des DIW Berlin, einer der Studienleiter und Hauptautoren. Dennoch könnten die Ergebnisse helfen, biologische Einflussfaktoren auf die psychische Gesundheit besser zu verstehen. Originalpublikation: Genetic variants associated with subjective well-being, depressive symptoms, and neuroticism identified through genome-wide analysesAysu Okbay et al.; Nature Genetics, doi: 10.1038/ng.3552; 2016