Wenn die Prospekte der Baumärkte mit Grillgeräten in der Größe einer Lok und dem Preis eines Kleinwagens im Briefkasten landen, wissen wir: Es ist Zeit zum Grillen. Doch die uralte Zubereitung von Fleisch und veganen Produkten ist nicht frei von gesundheitlichen Risiken.
Laut der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin ereignen sich durchschnittlich 4.000 Grillunfälle pro Jahr in Deutschland. Mittlerweile beschäftigen sich zahlreiche Wissenschaftler mit den gesundheitlichen Grillrisiken und deren Prävention. „Paulinchen – Initiative für brandverletzte Kinder e.V.“ warnt vor dem Benutzen von flüssigen Brandbeschleunigern und gibt Tipps zum sicheren Grillen. Auch die Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgie rät zu festen Grillanzündern. Dass offenes Feuer zu Verbrennungen führen kann, ist bekannt und soll nicht Schwerpunkt dieses Beitrages sein. Erstaunliche Gefahren lauern in Drahtbürsten zur Säuberung des Grillrostes.
Nach einer Studie der HNO-Ärztin Dr. Tiffany Baugh von der University of Missouri geht von Drahtbürsten zur Reinigung des Grillrostes ein erhebliches Verletzungsrisiko aus. Nach ihren Recherchen suchten in den USA zwischen 2002 und 2014 mindestens 1.500 Patienten die Notaufnahme auf, weil sie durch ausgefallene Drahtborsten Verletzungen im Mund- und Rachenbereich sowie der Speiseröhre erlitten hatten. Die Arbeitsgruppe bemerkt, dass die Anzahl der Patienten, bezogen auf den Untersuchungszeitraum von 12 Jahren, zwar relativ gering sei, aber die Dunkelziffer extrem hoch ist. „Das Thema wird völlig unterschätzt“, sagt Dr. David Chang, HNO-Arzt und Co-Autor der Studie. „Weil die Verletzung mit Drahtborsten im Burger so ungewöhnlich ist, denken weder Laien noch Ärzte an diese Gefahr. Auch in der Notaufnahme ist es wichtig, dass Patienten entsprechend sorgfältig untersucht werden.“ Sicherer scheinen Metallschwämme zu sein oder der Grill sollte nach der Verwendung der Drahtbürste gründlich inspiziert und mit einem Vliestuch nachgereinigt werden.
Tim Melzer macht es, Jamie Oliver erst recht und sogar der sterngekrönte Johann Lafer rät dazu: Eine Dose Bier halb leer trinken, einem Hähnchen rectal applizieren und das Ganze auf den Grill stellen. „Ein fast idiotensicheres Rezept“ titelte die Stuttgarter Zeitung. „Zuhause gilt es nur die klassische Rollenverteilung zu wahren: Mann kümmert sich ums Feuer, Frau um die Marinade“, heißt es dort. Ob das Satire, Misogynie oder Realität ist, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden. Die Zeitung rät dazu, die Dose nur halb leer zu trinken, denn der Ethanol im Gerstensaft spielt eine wichtige Rolle beim Garprozess über der Kohle. Aus Sicht des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) ist von dieser Art der Zubereitung abzuraten. Die hohen Temperaturen des Grills und die Dämpfe des alkoholhaltigen Bieres könnten dazu führen, dass sich Substanzen der inneren Lackschicht lösen und in das Grillgut übergehen. Da diese Schicht direkten Kontakt mit dem Lebensmittel Bier hat, scheint dies jedoch unproblematisch, da eine gesundheitliche Unbedenklichkeit verlangt wird. Für die Beschriftung und die Lackierung auf der Außenseite existieren jedoch keine Bestimmungen, die eine Lebensmittelunbedenklichkeit verlangen. Die Hitze könnte dazu beitragen, dass sich von der Lackschicht Stoffe lösen, die dann über den Alkoholdampf in das Fleisch übergehen. Die Hitze und das austretende Fett können Substanzen aus der Lackierung lösen und das Geflügel kontaminieren. Für alle, die das Bier-Huhn sicher zubereiten wollen, empfiehlt die Verbraucherzentrale die Zubereitung in einem speziellen Hähnchenbräter mit Flüssigkeitsbehälter.
Das nationale Krebsinstitut der USA warnt vor PAKs und HAAs. Hinter diesen Akronymen verbergen sich Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe und heterozyklische aromatische Amine. Wenn das Grillgut zu lange zu heiß auf dem Rost liegt, können sich diese gesundheitlich bedenklichen Verbindungen bilden. Bei einem „aromatischen“ Steak denkt man an Fleisch mit leckeren Kräutern. Bei Chemikalien deutet das Wort „aromatisch“ jedoch darauf hin, dass sie ein oder mehrere Benzolringe im Molekül tragen und mit konjugierten Doppelbindungen verknüpft sind. Vereinfacht gesagt: je mehr Ringe, desto größer das Risiko für die Gesundheit. Die akute Toxizität ist gering, doch einige Vertreter dieser Stoffgruppe, vor allem die mit fünf bis sieben Ringen, weisen krebserregende Eigenschaften auf. Benzofluoranthene und Benzo(a)pyren gehören zu den „schweren“ PAKs mit fünf bis sieben Benzolringen. In der Verordnung (EG) 1881/2006 ist der europaweite Grenzwerte für den PAK-Gehalt von Lebensmitteln definiert. Benzo(a)pyren darf in Gegrilltem höchstens in einer Menge von 5 μg/kg enthalten sein. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hat 65 Proben von gegrilltem Fleisch auf den PAK-Gehalt untersucht. Bei der Hälfte der untersuchten Proben lag der Gehalt an Benzo(a)pyren unterhalb der Nachweisgrenze. Die restlichen Proben wiesen Gehalte zwischen 0,31 und 43,9 μg/kg auf. Bei hohen Temperaturen von über 150 Grad Celsius entstehen heterozyklische aromatische Amine (HAA), die ebenfalls als gesundheitlich bedenklich und krebserregend gelten. HAA entstehen aus hocherhitztem Muskelfleisch von Rind, Schwein, Geflügel und Fisch. Aminosäuren reagieren mit Kreatin und bilden potenziell cancerogene Verbindungen. „Beim Grillen mit Holzkohle entsteht in der äußeren Schicht des Grillguts die zehnfache Menge an Benzpyren, beim Rösten über Holzfeuer sogar die 200-fache“, warnt die Deutsche Krebsgesellschaft und betont, dass verkohltes Fleisch das Risiko für Adenome steigern kann.
Acrylamid ist keine aromatische Verbindung, aber dennoch nicht risikolos. Vor einiger Zeit wurde vor der Substanz in Chips und frittierten Pommes gewarnt. Ob Acrylamid beim Menschen die Krebsentstehung fördert, ist nicht bekannt. Langfristige Beobachtungsstudien über den Zusammenhang zwischen der Acrylamidaufnahme und der Krebsentstehung beim Menschen brachten bisher keine eindeutigen Ergebnisse. Internationale Gremien haben Acrylamid vorsorglich als „wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen“ eingestuft. Es wird empfohlen, die Aufnahme so niedrig wie möglich zu halten. So stuft auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Substanz ein.
„Gerade verkohltes Fleisch kann das Krebsrisiko senken“ lautet die Überschrift eines Artikels, der 2014 in der Zeitung „Die Welt“ erschienen ist. Auch in der Fachzeitschrift Food & Hygiene ist der Beitrag zu finden. Ein Forscherteam der kanadischen Food Research Division um den Studienleiter Bau Stavric spricht verkohltem Fleisch sogar eine canceroprotektive Wirkung zu. Die verkohlte Oberfläche von Grillfleisch wirkt wie stark adsorbierende Aktivkohle, die cancerogene Produkte wie Benzpyren an sich bindet und die Bioverfügbarkeit somit erheblich reduziert. Es wird gebunden faecal eliminiert. Zusätzlich sollen Mikronährstoffe wie Quercetin in Kapern und Liebstöckel die Aktivität von aromatischen Cancerogenen binden. Sucht man nach der Originalquelle wird schnell klar, dass die Studien bereits mehr als 20 Jahre alt sind. „Man müsste umgerechnet 50 Kilogramm verkohltes Hühnerfleisch, das deutlich mehr HAA bildet als rotes Fleisch, essen, um so viele Gifte aufzunehmen wie mit einer einzigen Zigarette“, beruhigte der Ernährungswissenschaftler Christian Putscher. Auch wenn kein direkter Beweis existiert, dass verkohltes Grillfleisch Krebs auslösen kann, sind gesundheitliche Risiken nicht auszuschließen
Die Fleischwissenschaftlerin Dr. rer. nat. Monika Gibis von der Universität Hohenheim untersuchte den Einfluss von Kräutern und Extrakten in Marinaden auf die Hemmung cancerogener Substanzen im Grillgut. Zwiebeln, Knoblauch, Rosmarin- und Traubenkern-Extrakt reduzieren die Bildung von HAAs signifikant. Als „Super-Blocker“ erwies sich eine Grillsoße mit Knoblauch, Ingwer, Thymian, Rosmarin und Cayenne-Pfeffer. Der HAA-Gehalt im Grillgut sank im Vergleich zur „Placebo-Gruppe“ ohne Marinade um 74 Prozent.
Eine Studie von Viegas et al. untersuchte die Auswirkung unterschiedlicher Biersorten als Grundlage für eine Grillmarinade. Biere nach Pilsener Brauart reduzierten die Belastung um 36,5 Prozent. Alkoholfreies Bier um 25 Prozent und dunkles Lagerbier um 68 Prozent. Schwarzbier erwies sich hier als Superantioxidanz. Vermutlich ist der Gehalt an Polyphenolen dafür (mit)verantwortlich. Das optimale, gesundheitlich unbedenkliche Grillseting besteht dann aus indirekt, nicht zu lange gegrilltem Fleisch, eingelegt in einer Thymian-Ingwer-Knoblauch-Marinade und als Getränk gibt es Dunkelbier. Guten Appetit!