Eine sorgfältige Händehygiene kann nosokomiale Infektionen vorbeugen und zudem Kosten einsparen. Trotzdem ist die Umsetzung der Empfehlungen in der Praxis mangelhaft. Eine Initiative der US-Hygieneindustrie will die Händedesinfektion nun elektronisch monitoren.
Am 05.05. findet der „Internationale Tag der Händehygiene“ statt. Ins Leben gerufen wurde dieser im Jahr 2009 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), um das medizinische Personal auf die Wichtigkeit der Händehygiene aufmerksam zu machen. Denn die Hände stellen den wichtigsten Weg für die Übertragung von Krankheitserregern im Gesundheitswesen dar. Wird die Händehygiene ordentlich durchgeführt, kann dies verhindern, dass mikrobielle Pathogene, insbesondere Bakterien und Viren, durch die Hände des medizinischen Personals von einem Patienten auf den Nächsten weitergegeben werden. Händehygiene beugt daher Infektionen vor und schützt zudem auch die Gesundheit der Ärzte und des Pflegepersonals. Außerhalb medizinischer Bereiche ist das Waschen der Hände mit Seife und das anschließende Abtrocknen ausreichend, für medizinisches Personal ist jedoch eine Desinfektion zwingend notwendig. Manchmal können mechanische Barrieremaßnahmen (Handschuhe) die Maßnahmen sinnvoll ergänzen.
Wie wichtig eine gute Händehygiene, insbesondere die Desinfektion ist, fand der Gynäkologe Philipp Semmelweis vor mehr als 150 Jahren heraus. Damals war es üblich, dass Ärzte sich nach einer Leichensektion bestenfalls die Hände mit Seife wuschen. Anschließend gingen sie zu einer Entbindung und untersuchten die Patientin. Die Folge war natürlich, dass das infektiöse Material der Leiche auf die Frau übertragen wurde. Dementsprechend hoch waren auch die Fälle von Kindbettfieber. Hebammen dagegen kamen nicht mit verstorbenen Frauen in Berührung. Am Wiener Allgemeinen Krankenhaus verliefen damals in der Abteilung, in der Ärzte und Medizinstudenten – darunter auch Semmelweis – arbeiteten, etwa zehn Prozent der Entbindungen tödlich. In der zweiten Abteilung dagegen, in der Hebammenschülerinnen ausgebildet wurden, verstarben nur etwa drei Prozent der Patientinnen. Semmelweis untersuchte die vielen Todesfälle, aber erst durch den unerwarteten Tod eines Kollegen, der sich bei einer Obduktion an der Hand verletzt hatte und an einer Blutvergiftung starb, erkannte der Gynäkologe, dass die Hände der Ärzte der Grund für die vielen Fälle von Kindbettfieber waren. Semmelweis führte daraufhin das Händewaschen in Chlorkalkwasser ein, woraufhin die Sterblichkeitsrate auf etwa zwei Prozent sank.
Das Hauptproblem heutzutage ist nicht, dass keine wirksamen Desinfektionsmittel auf dem Markt sind, sondern die Compliance der Verwender. Denn oftmals wird die Händehygiene nicht dann und so, wie es vorgeschrieben ist, durchgeführt. Die Ursachen hierfür sind verschieden. So kann sich ein unangemessenes Sicherheitsgefühl aufgrund der Nutzung von Handschuhen, eine fehlende Vorbildfunktion beispielsweise des ärztlichen Personals oder das hohe Arbeitsaufkommen negativ auf die Compliance auswirken. Wie gut das medizinische Personal die Händehygiene durchführt, wird durch die sogenannte direkte oder offene Beobachtung festgestellt. Dabei werden die Mitarbeiter während ihrer täglichen Arbeit von einer dritten Person beobachtet. Nachteil dieser offenen Beobachtung ist, dass die Mitarbeiter wissen, dass ihnen jemand zuschaut. In der Folge kann es sein, dass sie ihr natürliches Verhalten ändern, wodurch bessere Ergebnisse erzielt werden. Dieses Phänomen, das auch unter dem Namen Hawthorne-Effekt bekannt ist, muss beispielsweise in Arzneimittelstudien durch die Gabe von Placebos berücksichtigt werden. Bei der Händehygiene ist so eine Fehlerkorrektur jedoch nicht möglich. Zudem wird durch die Methode der offenen Beobachtung nur ein sehr kleiner Ausschnitt aller durchgeführten Waschungen und Desinfektionen dokumentiert. Eine weitere Möglichkeit ist, den Verbrauch an Händedesinfektionsmittel als Surrogatparameter zu ermitteln.
Hier kommt nun die Electronic Hand Hygiene Compliance Organization (EHCO) ins Spiel. Dies ist ein Zusammenschluss aus acht amerikanischen Firmen, nämlich Airista, BioVigil, CenTrak®, Clean Hands-Safe Hands, DebMed, Hill-Rom, Inc., SwipeSense und Versus Technology, die alle elektronische Handhygiene-Monitoring-Systeme herstellen. Diese Geräte messen rund um die Uhr die Entnahme von Desinfektionsmittel. Dadurch kann – ganz ohne Hawthorne-Effekt – das tatsächliche Händehygiene-Verhalten bestimmt und auf dieser Basis Maßnahmen wie beispielsweise Schulungen durchgeführt werden. Darüber hinaus haben einige Geräte eine Erinnerungs- und Kontrollfunktion oder geben an, ob nur Händewaschen mit Seife oder auch eine Desinfektion notwendig ist. Die sieben Krankenhäuser des Greenville Health sind bereits mit elektronischen Handhygiene-Monitoring-Systemen ausgestattet. „Wir konnten eine konstante zweistellige Zunahme der Händehygiene-Compliance sowie eine Reduktion der krankenhausbedingten Infektionen verzeichnen. Diese positiven Veränderungen gingen mit Kosteneinsparungen einher, die die Kosten der Systeme rechtfertigen“, so Connie Steed, Direktorin der Infektionsprävention am Greenville Health System. Auch in Deutschland sind verschiedene Systeme erhältlich, die bereits in Krankenhäusern eingesetzt werden.
„Alle, die EHCO beigetreten sind, haben sich der Philosophie angeschlossen, über das kommerzielle sowie Wettbewerbsinteresse hinauszuwachsen, und glauben an die Zusammenarbeit für das Allgemeinwohl. […] Alle Mitglieder haben zugestimmt, eine gesteigerte Patientensicherheit und bessere Ergebnisse über ihre kommerziellen Interessen zu stellen“, so Paul Alper, Vorstand der EHCO und Vizepräsident, Strategie für Patientensicherheit, DebMed, in einer Pressemitteilung. Trotz dieser Beteuerung ist anzunehmen, dass die EHCO-Mitglieder hoffen, nicht nur die Patientensicherheit, sondern auch ihren Umsatz zu verbessern. Dennoch könnten elektronische Geräte dabei helfen, das Bewusstsein für das Problemfeld Hygiene bei Krankenhausmitarbeitern zu schärfen. Denn nosokomiale Infektionen gehören auch in Deutschland zu den häufigsten Infektionen. Das gleiche Ziel, nämlich Ärzte und Pflegepersonal für das Thema Händehygiene und Infektionsprävention zu sensibilisieren, hat auch die nationale Kampagne „Aktion Saubere Hände“, die 2008 vom Nationalen Referenzzentrum für Surveillance nosokomialer Infektionen (NRZ), dem Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. (APS) sowie der Gesellschaft für Qualitätsmanagement im Gesundheitswesen (GQMG) ins Leben gerufen wurde. Aber auch schon an Medizin-Universitäten gibt es Lehrveranstaltungen, in denen Studenten das richtige Desinfizieren der Hände lernen. Anstatt mit Keimen üben die Studenten den Händedruck mit einer fluoreszierenden Creme. Diese „Keime“ gehen dann von Hand zu Hand – am Ende werden die Hände richtig desinfiziert und mit Schwarzlicht überprüft. Diese Veranstaltungen werden bereits im Grundstudium angeboten und wiederholen sich immer wieder im Hauptstudium.