Mehr und mehr schwangere Frauen bitten Ärzte um nicht invasive Tests auf Trisomien. Sinkende Preise haben ebenfalls zur Popularität beigetragen. Welche Folgen engmaschige Untersuchungen tatsächlich haben, ist Gegenstand kontroverser Diskussionen.
Deutschlands Mütter werden immer älter, und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Kinder mit Trisomien zur Welt kommen. Ärzte raten deshalb zur Pränataldiagnostik. Seit risikolose, nicht invasive Bluttests auf Basis fetaler DNA den Markt erobert haben, sinkt die Hemmschwelle deutlich. Krankenkassen übernehmen die Leistung nicht generell, so dass Frauen anfangs 1.000 bis 1.200 Euro selbst berappen mussten. Entsprechende Tests sind seit Mitte 2015 in der Schweiz zur Kassenleistung geworden. Bei uns wägt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) alle Argumente ab. Bleibt als Lichtblick: In letzter Zeit haben sich die Kosten stark verringert. Zwei Beispiele: Der PraenaTest® von LifeCodexx schlägt mit 349 bis 499 Euro zu Buche und beim Harmony-Test von Cenata sind es 399 bis 449 Euro, je nach Umfang der Untersuchungen.
Dazu ein Blick auf die Molekularbiologie. Im mütterlichen Blut befindet sich fragmentierte, zellfreie DNA (cell-free DNA, cfDNA). Bei rund zehn Prozent aller Bruchstücke handelt es sich um zellfreie fetale DNA (cell-free fetal DNA, cffDNA) aus abgestorbenen Zellen des Embryos. Sie zirkulieren nur wenige Stunden, um schließlich abgebaut zu werden. Genau hier setzen alle nicht invasiven Untersuchungen an. © LifeCodexx Cenata arbeitet bei Harmony® mit der Microarray-Technologie. Dabei werden Anomalien der Chromosomen 21, 18, 13, X und Y per Gensonde nachgewiesen, während herkömmliche Verfahren auf Sequenzierungen der kompletten zellfreien DNA basieren. Die Dauer verkürzt sich dadurch von 56 auf 7,5 Stunden. Im Rahmen einer vom Hersteller unterstützen Studie mit 18.955 Schwangeren ohne erhöhtes Risiko wies der Harmony-Test eine Falsch-Positiv-Rate von 0,06 Prozent auf. LifeCodexx blieb jedoch dem Random Massively Parallel Sequencing (rMPS) treu, um zufällig ausgewählte Bruchstücke freier DNA zu sequenzieren. Dank moderner Next-Generation-Sequencings sind auch hier die Preise in den Keller gefallen. Das Verfahren hat geringfügig niedrigere Falsch-Positiv-Raten, wird durch niedermolekulare Heparine aber gestört. NMH beeinflussen die Qualität der untersuchten cffDNA. Ärzte sollten Blut deshalb kurz vor der nächsten NMH-Gabe abnehmen, rät der Hersteller. Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es an beiden Verfahren wenig zu rütteln. Rechtlich ist die Sache ebenfalls klar: Labors verweisen auf das Gendiagnostik-Gesetz, Paragraph 10 (genetische Beratung durch Fachärzte). Hinzu kommt das Schwangerschaftskonfliktgesetz, Paragraph 2a (Aufklärung und Beratung in besonderen Fällen) und Paragraph 3 (Beratungsstellen).
Doch welche Auswirkungen haben nicht invasive Methoden zur Pränataldiagnostik auf die Gesellschaft? Ärzte führen zwar immer weniger Schwangerschaftsabbrüche durch, berichtet das Statistische Bundesamt (DESTATIS). Von 2008 (2.989 Eingriffe) bis 2015 (3.879 Eingriffe) hat sich die Zahl an Aborten aufgrund medizinischer Indikationen jedoch prozentual stark erhöht; erste nicht invasive Tests sind bei uns seit 2012 erhältlich. Das National Down Syndrome Cytogenetic Register aus Großbritannien berichtet seit Jahren von mehr Aborten aufgrund von Trisomien. Ob in Deutschland ähnliche Zusammenhänge bestehen, ist recht wahrscheinlich, aber wissenschaftlich strittig. Grund genug für Abgeordnete aller Fraktionen, eine kleine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen. Annette Widmann-Mauz (CDU), Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit, antwortete, es gebe derzeit keine bundesweiten Daten zu vorgeburtlichen Tests auf Trisomie 21 in Verbindung mit Schwangerschaftsabbrüchen. „Das Angebot beinhaltet für sich genommen keine negative Wertung, Stigmatisierung oder Stereotypisierung“, so Widmann-Mauz weiter. Sie verweist auf Beratungsangebote, um Eltern zu stärken. Die Christdemokratin sieht jedoch andere Schwachstellen. Teilen Ärzte Eltern das Geschlecht vor Ablauf der zwölften Schwangerschaftswoche mit, handeln sie laut Gen-Diagnostikgesetz zwar rechtswidrig, bleiben aber straffrei. Bei der Diskussion übersehen Politiker einen entscheidenden Aspekt: In der Untersuchungsmethode stecken noch weitere Potenziale.
Frédéric Amant aus dem belgischen Leuven fand heraus, dass nicht invasive Pränataltests Hinweise auf maligne Erkrankungen liefern. Er hat zusammen mit Kollegen 4.000 schwangere Frauen in eine Studie aufgenommen. Bei allen Teilnehmerinnen untersuchten Humangenetiker cffDNA auf mögliche Trisomien. Dabei stolperten Humangenetiker in drei Fällen über nicht schlüssige Resultate. Alle Betroffenen hatten angegeben, gesund zu sein. Neben fetaler DNA hinterlassen auch zerfallende Krebszellen charakteristische molekulare Fingerabdrücke. Beim Ganzkörper-CT zeigten sich anschließend wenig erfreuliche Befunde: ein Ovarialkarzinom, ein follikuläres Lymphom und ein Hodgkin-Lymphom. Beim letztgenannten Krankheitsbild wurde noch während der Schwangerschaft behandelt. Ansonsten warteten Onkologen bis zur Geburt. Amant sieht im Verfahren den Vorteil, symptomfreie Krebserkrankungen quasi nebenbei zu erkennen und – falls möglich – sofort zu behandeln. Weitere Studien folgen.