Nach wie vor erhitzt der Pharmadialog alle Gemüter. Für Standesvertreter ist eine Deckelung apothekerlicher Honorare inakzeptabel. Gleichzeitig hoffen sie mittelfristig auf Vergütungsmodelle für neue Dienstleistungen – der einzige Lichtblick.
Mitte April präsentierten Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, Bundesforschungsministerin Johanna Wanka und Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Sontowski alle Ergebnisse des Pharmadialogs. Parallel erblickte ein Positionspapier von Mitgliedern der CDU/CSU- und der SPD-Bundestagsfraktion das Licht der politischen Welt. Darin ging es vor allem um die Honorardeckelung bei Hochpreisern – sehr zum Ärger von Kollegen.
„Dieses Ansinnen ist nicht nur eine Provokation für uns Apotheker, es ist schlichtweg eine Missachtung unserer Arbeit“, sagte Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands (DAV), beim 53. DAV-Wirtschaftsforum. „Es ist absolut inakzeptabel, wenn die Regierungsfraktionen die auf Fixum und prozentuale Vergütung basierende und bewährte Mischkalkulation bei Fertigarzneimitteln in Frage stellen.“ Vergütungen für Rezepturarzneimittel und dokumentationspflichtige Pharmaka stehen als weitere Forderung im Raum. Beim Pharmadialog ging es aber auch um Rabattverträge. „Wir haben uns bei der Umsetzung stets als zuverlässiger Partner der Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmen erwiesen und dasselbe erwarten wir auch von der Gegenseite“, gab Becker zu bedenken.
Details zu dieser Aussage lieferte Claudia Korf, Geschäftsführerin im Geschäftsbereich Wirtschaft, Soziales und Verträge bei der ABDA. Über Jahre hinweg korrelierten Apothekenhonorare weder mit den Einnahmen gesetzlicher Krankenkassen noch mit dem Verbraucherpreisindex, mit Tariflöhnen öffentlicher Apotheken oder mit dem Bruttoinlandsprodukt. Quelle: DAV-Wirtschaftsforum, Claudia Korf Vorläufigen Zahlen zufolge nahmen GKVen im letzten Jahr 212,42 Milliarden Euro ein. und gaben 213,56 Milliarden Euro aus. Lediglich 2,3 Prozent aller Gelder entfielen auf Apothekenhonorare – in 2005 waren es noch 2,8 Prozent. Dem stehen immense Einsparungen von 16,4 Milliarden Euro gegenüber. Korf nennt Festbeträge (7,1 Milliarden), Rabattverträge (3,6 Milliarden), Patientenzuzahlungen (2,2 Milliarden), Herstellerabschläge (1,6 Milliarden), Apothekenabschläge (1,1 Milliarden) und Erstattungsbeträge (0,8 Milliarden). Zum Vergleich: Effektive GKV-Arzneimittelausgaben summieren sich auf 31,8 Milliarden Euro.
Welche Folgen unterschiedliche Sparmaßnahmen für Apothekenleiter haben, zeigte Dr. Eckart Bauer, Abteilungsleiter Wirtschaft und Soziales, Geschäftsbereich Wirtschaft, Soziales und Verträge, bei der ABDA. Seine Analysen basieren auf mehr als 2.500 Betriebsergebnissen. In 2015 hatte die typische Apotheke einen Netto-Umsatz von 1,75 Millionen Euro. Hier befanden sich 12,3 Prozent aller Betriebsstätten. Die durchschnittliche Apotheke kam auf 2,11 Millionen Euro. Etwa 61 Prozent aller Apotheken lagen unter diesem Wert. Quelle: DAV-Wirtschaftsforum, Dr. Eckart Bauer Beim steuerlichen Betriebsergebnis zeichnete sich nach Maxima früherer Jahre (2002: 8,3 Prozent des Netto-Umsatzes) und Minima (2012: 5,7 Prozent) eine gewisse Stabilisierung ab. Für 2013 (6,7 Prozent), 2014 (6,6 Prozent) und 2015 (voraussichtlich 6,5 Prozent) gibt es kaum noch nennenswerte Trends. Und für 2016 sieht Bauer gleich mehrere Einflussfaktoren. Gewisse Anpassungen bei Rezeptur- und Dokumentationsgebühren sind seit dem Pharmadialog wieder in den Bereich des Möglichen gerückt. Einkaufskonditionen verschlechtern sich weiter, und Lohnkosten steigen um voraussichtlich 1,8 bis 2,5 Prozent. Beim Absatz von Rx-Präparaten erwartet der ABDA-Experte ein geringes Wachstum. Von 2014 auf 2015 waren es plus 0,9 Prozent. Sein Fazit: „In der Diskussion befindliche erhöhte Entgeltungen für Rezepturen und Dokumentationen decken letztlich steigende Personalkosten.“ Damit seien „keine Impulse für die Ergebnisverbesserung zu erkennen“.
Apothekenleitern bleibt also nur, ihre kritische Masse auszubauen. Deshalb setzt sich der Trend zur Filialisierung weiter fort. Seitdem der Gesetzgeber Verbünde mit bis zu drei Filialen legitimiert hat, verringerte sich die Zahl an Einzelapotheken von rund 20.000 auf 12.851. Verbünde mit einer Filiale (2.229), mit zwei (612) oder drei Filialen (276) gewinnen weiter an Bedeutung. Das Apothekensterben selbst konnte trotz aller Bemühungen über den Nacht- und Notdienstfonds nicht gestoppt werden. Von 2012 (20.921 Betriebsstätten) über 2013 (20.662) und 2014 (20.441) bis 2015 (20.249) ging es weiter talwärts. Jede Apotheke, die geschlossen wird, setzt Potenziale für Kollegen im Markt frei: ein schwacher Trost.
Als Perspektive sieht Claudia Korf vor allem pharmazeutische Dienstleistungen. Der Medikationsplan aus Hermann Gröhes E-Health-Gesetz ist kaum mehr als ein Startschuss. Medikationsanalyse und Medikationsmanagement könnten sich früher oder später als geldwerte Leistungen entpuppen, falls es zu Klarstellungen über Paragraph 129 Absatz 5 SGB V kommt: „Die Krankenkassen oder ihre Verbände können mit der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisation der Apotheker auf Landesebene ergänzende Verträge schließen", schreibt der Gesetzgeber. In ihrem Vortrag kommentiert Korf: „Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und Apotheken über die Erbringung und Vergütung von Leistungen, die zusätzlich zur Abgabe von Arzneimitteln erfolgen, müssen möglich sein!“