Die USA korrigierten kürzlich ihren Grenzwert für normalen Blutdruck nach unten. Die Folge: Millionen neuer behandlungsbedürftiger Hypertonie-Patienten. Jetzt stellte die European Society of Hypertension ihrerseits neue Leitlinien vor. Sinken auch in Deutschland die Werte?
In den USA wird seit einigen Monaten von Bluthochdruck gesprochen, wenn der Wert bei 130/80 mm Hg oder höher liegt. Dadurch fallen plötzlich ehemals Gesunde in die Kategorie der Hypertonie-Patienten, die behandelt werden müssen. Die Frage, die sich Kardiologen hierzulande stellten: Wird Deutschland nachziehen? Nun gibt es dazu auch auf europäischer Ebene eine Entscheidung. Auf dem Kongress der European Society of Hypertension (ESH) wurden die neuen Europäischen Leitlinien für die Behandlung von Arterieller Hypertonie präsentiert, die zusammen von der ESH und der European Society of Cardiology (ESC) erstellt wurden. Die neuen Leitlinien halten nach wie vor an der bestehenden Krankheitsdefinition von ≥140/90 mm Hg fest, empfehlen aber, eine Senkung in den Normalbereich (<130/80 mm Hg) anzustreben.
Professor Peter Trenkwalder, stellv. Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga kommentiert: „Die US-Leitlinien definieren Bluthochdruck bereits ab Werten ≥130/80 mm Hg, der Grenzwert wurde 2017 u.a. als Reaktion auf die SPRINT-Studie abgesenkt. Die europäische Leitlinienkommission hingegen sah für eine solche Empfehlung keine ausreichende Evidenz. Die neue Leitlinie sieht weiterhin vor, die Mehrzahl der Hypertoniker erst ab einem Blutdruck von 140/90 mm Hg medikamentös zu behandeln.“ Wie die vorherige Leitlinie differenziert sie zwischen einem optimalen Blutdruckbereich (<120/80 mm Hg), einem normalen (120-129/80-84 mm Hg) und einem hochnormalen (130-139/85-89 mm Hg). Erst darüber liegende Werte werden als krankhaft eingestuft und sollten medikamentös behandelt werden, wenn eine Lebensstiländerung, die bereits Patienten mit hochnormalen Werten empfohlen wird, keine Erfolge gezeigt hat.
„Generell gilt aber: Bluthochdruck ist ein komplexes Erkrankungsbild und die moderne Bluthochdrucktherapie sollte individualisiert erfolgen, die Leitlinien setzen lediglich den groben Rahmen“, erklärt Professor Krämer, Präsident der Deutschen Hochdruckliga. „Primäres Ziel muss sein, alle Hypertoniker erfolgreich unter diesen Wert von 140/90 mm Hg, nach Möglichkeit aber in den Normalbereich (<130/80 mm Hg) zu bringen. Doch derzeit ist die Hälfte aller Menschen mit Bluthochdruck nicht bzw. nicht erfolgreich behandelt“, so der Experte. Die Gründe dafür liegen in einer mangelnden Therapietreue der Patienten und in einer immer noch bestehenden Dunkelziffer der Erkrankung.
Diese beiden Probleme adressiert die neue Leitlinie, was die ausdrücklich begrüßt. Zum einen empfiehlt sie, dass normotensive Erwachsene mit optimalen Blutdruckwerten unter 120/80 mmHg alle 5 Jahre eine Blutdruck-Screening-Messung erhalten und Erwachsene mit hochnormalen Blutdruckwerten (130-139/85-89 mmHg) mindestens jährlich. Um die Therapietreue zu stärken, empfiehlt sie den Einsatz von Fixdosis-Kombinationen (im engl. „single pill combinations“ = SPC; 2-3 blutdrucksenkende Substanzen in einer einzigen Tablette) – es ist bekannt, dass die Therapietreue nachlässt, je mehr verschiedene Tabletten die Patienten einnehmen müssen. Entsprechend hat sich auch ein Paradigmenwechsel in der Therapie ergeben: „Die medikamentöse Therapie soll nun primär als 2-fach-Kombinationstherapie aus ACE-Hemmern oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARB) und Calziumantagonist oder Thiaziddiuretikum erfolgen, die Monotherapie hat als Erstlinientherapie ausgedient“, kommentiert Professor Krämer. Der Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Hochdruckliga e.V. DHL® | Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention.