Angesichts der im TSVG geplanten gestuften Versorgung in der Psychotherapie spricht Jens Spahn von „guten Gesprächen“ mit Ärzteverbänden. Die Vorstellungen beider Seiten lägen „gar nicht soweit auseinander“. Die Bundespsychotherapeutenkammer widerspricht vehement.
Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) sollen psychisch kranke Patienten zukünftig deutlich schneller eine Therapie erhalten. Jens Spahn forderte nun die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) auf, einen gemeinsamen Vorschlag dazu vorzulegen, meldet das Deutsche Ärzteblatt. Darauf sollen sich Psychotherapeuten- und Ärzteverbände auf dem gestrigen Neujahrsempfang der Deutschen Ärzteschaft bei Gesprächen mit dem Bundesgesundheitsminister verständigt haben.
Einen konkreten Vorschlag oder Zeitplan, bis wann die Vorschläge vorliegen sollen, gebe es zwar noch nicht. Spahn sprach dennoch von „guten Gesprächen“ mit den Psychotherapeuten. Die Gespräche hätten „im positiven gruppentherapeutischen Sinne allen gut getan“, sagte Spahn. Man habe alle unterschiedlichen Blickwinkel beleuchtet und dabei gemerkt, dass man mit den Vorstellungen „gar nicht soweit auseinander“ liege.
Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) sieht das offenbar anders. Sie lehnt eine „gestufte und gesteuerte psychotherapeutische Versorgung“, wie sie mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) geplant ist, ab. „Psychisch kranke Menschen werden bereits nach Dringlichkeit und Schwere behandelt“, stellt BPtK-Präsident Dr. Dietrich Munz in einer Pressemitteilung fest. Mit dem TSVG sollen Ärzte und Psychotherapeuten bei Patienten mit Verdacht auf psychische Erkrankungen in Zukunft eine Begutachtung durchführen, bevor die eigentliche Behandlung erfolgt.
„Der Gesetzgeber hat mit der psychotherapeutischen Sprechstunde bereits eine differenzierte Versorgung eingeführt. Eine zusätzliche Prüfung durch Dritte, ob eine psychotherapeutische Behandlung überhaupt notwendig ist, würde den großen Erfolg, der mit der Sprechstunde erzielt wurde, wieder zunichtemachen“, erklärt Munz. Menschen, die an psychischen Beschwerden leiden, erhalten durchschnittlich innerhalb von knapp sechs Wochen einen ersten Termin beim Psychotherapeuten zur Diagnostik und Beratung. Diese Regelung habe sich gerade für schwer psychisch kranke Menschen bewährt, die vorher von den langen Wartezeiten auf einen ersten Termin abgeschreckt wurden, heißt es weiter in der Pressemitteilung.
Alle Patienten, bei denen festgestellt wurde, dass sie psychisch krank sind, müssten viel zu lange auf eine psychotherapeutische Behandlung warten: in ländlichen Regionen fünf bis sechs Monate, im Ruhrgebiet sogar sieben Monate. „Diese langen Wartezeiten lassen sich nur durch mehr Psychotherapeuten verkürzen“, erklärt der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer. „Deshalb fordern wir, dort kurzfristig für Psychotherapeuten 1.500 Praxen mehr zuzulassen.“
Vielen Patienten könne mit einer Kurzzeit- oder Langzeitpsychotherapie geholfen werden, einige dieser Patienten erhalten flankierend eine Pharmakotherapie. „Es gibt aber auch eine kleine Gruppe von Patienten, die nicht nur Psychotherapie und Pharmakotherapie brauchen, sondern darüber hinaus auch soziotherapeutische Unterstützung, psychiatrische Krankenpflege, Ergotherapie oder auch Angebote der Gemeindepsychiatrie“, stellt Munz fest. „Bei diesen Patienten mit komplexem Leistungsbedarf reicht jedoch eine rein psychotherapeutische oder psychiatrische Versorgung nicht aus. Ihr Hauptproblem ist die fehlende Kooperation und Koordination. Für diese schwer und meist chronisch kranken Patienten fehlt schlicht das notwendige multiprofessionelle Behandlungsangebot“, erläutert Munz. Aus seiner Sicht sollte der Gemeinsame Bundesausschuss den Auftrag erhalten, diesen schwer und meist chronisch kranken Patienten eine ambulante multiprofessionelle Versorgung zu ermöglichen.
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