Patienten mit Opioid-Abhängigkeit greifen oft zum vergleichsweise leicht erhältlichen Durchfallmittel Loperamid. Jetzt berichten Wissenschaftler von schwerwiegenden kardiovaskulären Nebenwirkungen. Ein Grund mehr, den Arzneistoff nur in kleinen Mengen abzugeben.
Loperamid kommt vor allem bei Durchfall unklaren Ursprungs zum Einsatz. Das Molekül wirkt an µ-Opioid-Rezeptoren im Plexus myentericus, ohne zentrale Effekte zu zeigen. Seine orale Bioverfügbarkeit ist vergleichsweise gering. Außerdem verhindern P-Glykoproteine der Blut-Hirn-Schranke als Effluxpumpen, dass größere Mengen des Pharmakons im Oberstübchen ankommen. Davon lassen sich Opioidabhängige nicht abschrecken.
Sie tauschen über frei zugängliche Online-Quellen wie das „Opioidforum“ oder das „Forum Suchtmittel“ vermeintlich gute Tipps aus, um doch noch an ihren Trip zu kommen. „Leicht zu beschaffende Arzneimittel" wie Chinin, Doxepin oder Verapamil werden als Inhibitoren von P-Glykoproteinen empfohlen. Aber auch ohne diesen Trick sollen exorbitant hohe Loperamid-Dosen den erwünschten Effekt zeigen. Viele Abhängige nehmen das Pharmakon auch ein, um Entzugssymptome zu lindern. Als Quelle nennen User vor allem ausländische Versandapotheken, die es „mit der Menge nicht so genau nehmen“.
Kein Wunder, dass es immer häufiger zu schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen kommt. Osama Mukarram vom Texas Tech University Health Sciences Center aus Permian Basin berichtet von einem Patienten, der täglich rund 190 Milligramm Loperamid eingenommen hatte. Bei ihm kam es zur Torsade-de-Pointes-Tachykardie und zum Herzstillstand. Ähnliche Erfahrungen musste auch Rachel Sarah Wightman von der NYU School of Medicine, New York, machen. Ihre Patientin hatte täglich bis zu 40 Tabletten des Antidiarrhoikums ein. Auch hier traten ventrikulären Herzrhythmusstörungen bis hin zu Torsodes de Pointes auf. William Eggleston, Forscher am Upstate New York Poison Center, Syracuse, New York, schreibt sogar von zwei Todesfällen durch kardiale Effekte. Mehrere Autoren vermuten, dass Loperamid in hoher Dosis zur Verlängerung des QT-Intervalls führt. Welchen Effekt zusätzlich eingenommene BtM haben, ist unklar.
Im Kampf gegen die missbräuchliche Anwendung haben Apotheker zumindest einen Teilerfolg errungen: Seit dem 1. April 2015 ist Chinin nur noch auf ärztliche Verschreibung erhältlich – unter anderem aufgrund seiner Verwendung als „Booster“ von Loperamid. Ansonsten bleibt Kollegen nur, keine größeren Mengen des kritischen Arzneistoffs abzugeben.