Was passiert, wenn auf einer eigentlich ruhigen Station plötzlich das Chaos ausbricht? Karla hat Nachtdienst und ist allein mit 40 Patienten. Die eigentliche Unterstützung ist auf der Kardiologie, Personaluntergrenzen sei Dank. Dann meldet ein Patient plötzliche Atemnot.
Karla ruft mich im Nachtdienst an. Sie ist die zuständige Nachtschwester auf unserer Endoprothetikstation. Wir teilen uns diese Station mit einigen Belegärzten, die in unserem Haus ihre Knie- und Hüftprothesen operieren. Unsere kurzstationären Patienten mit den Arthroskopien, aber auch die eigenen Patienten mit den Knie- und Hüftprothesen, sind auf dieser Station untergebracht. Fast 40 Betten sind grundsätzlich voll belegt.
Diese Station ist in der Regel „ruhig“, wie wir es nennen. Außer heute Nacht. Ein Patient, der gestern eine Hüft-TEP bekommen hat, hat Probleme mit der Atmung. Ganz plötzlich sei das gekommen, erklärt Karla. Außerdem habe er stechende Schmerzen im Thoraxbereich.
Wenn Karla ruft, brennt es
Karla ist eine der besten Pflegekräfte, eine der langjährig treuen Mitarbeiterinnen. Ich kenne sie, seit ich dabei bin. Sie hat mir mehr als einmal den Hintern gerettet. Wenn sie sich meldet, komme ich sofort, weil ich weiß, dass irgendwas nicht stimmt.
In der Notaufnahme wartet eine Radiusfraktur beim Röntgen, eine zweite hängt im Aushang und einige Patienten mit mutmaßlichen Prellungen und Rückenschmerzen sitzen im Wartebereich. Ich gebe den Schwestern Bescheid, dass sie großzügig Schmerzmittel verteilen dürfen, bis ich wieder da bin.
Absolutes Chaos auf der Station
Als ich auf der Station ankomme, sieht es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Überall liegen Akten, die Tablettenpäckchen liegen geöffnet im Stationszimmer, alle Tische und Wägen sind voll belegt. Ein deliranter Patient sitzt schlafend in seinem Sessel mit Tablett vor dem Stationszimmer. Ein weiteres Bett steht mit einer schnarchenden Patientin im Flur.
Karla hat die Tür zum Zimmer des besagten Patienten geöffnet und lässt den Patienten bereits mit Salbutamol und Atrovent inhalieren. Die Sättigung ist bei knapp über 90 Prozent, die Herzfrequenz bei 120 und der Blutdruck systolisch bei 100.
Der Patient muss auf die Intensivstation
Bis die Diagnose und Therapie für die zentrale Lungenarterienembolie eingeleitet und bestätigt ist und der Patient auf der Intensivstation untergebracht ist, dauert es eine ganze Weile.
Karla hilft mir den Patienten durch die Gänge zu schieben, ihn ins CT zu bringen und auf die Intensivstation zu fahren. Sie schickt das abgenommene Blut ins Labor und veranlasst eine Schwester aus der Kardiologie, solange auf ihrer Station zu bleiben, bis sie wieder da ist.
Ein Loch aufreißen, um ein anderes zu stopfen
Karla ist heute Nacht nämlich mit 40 Patienten alleine. Die andere Schwester, oder zumindest die eigentlich anwesende Spring-Schwester wurde aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Personaluntergrenzen auf die Station der Kardiologie abgezogen. Das erklärt auch die Unordentlichkeit im Stationszimmer.
Ach so, während Karla nun mir hilft und die andere Schwester die Kardiologie verlässt und auf Karlas Station einspringt, ist natürlich die Station der Kardiologie nicht entsprechend den gesetzlichen Forderungen besetzt. Wenn es jetzt dort einen Notfall gibt – tja, dann weiß ich leider auch nicht weiter.
Bildquelle: Georgie Pauwels, flickr