Der BGH hat kürzlich entschieden: Deutsche Versandapotheken verstoßen gegen das Gesetz, wenn sie Prämien für die Werbung von Neukunden versprechen. Klingt erstmal schlüssig. Warum fühlen sich viele Apotheker von der Urteilsbegründung aber dennoch bedroht?
Die Apothekerkammer Nordrhein hatte gegen die Versandapotheke Apotal geklagt, weil diese jedem Werber zehn Euro versprochen hatte, der eine Bestellung durch einen Neukunden auslöst. Der BGH sah hier – wie die Apothekerkammer auch– einen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz und mahnte den Versender ab. Das ist für die meisten Apotheker erstmal keine schlechte Nachricht.
Für Empörung sorgt nun nicht das Urteil vom November, sondern die kürzlich veröffentlichte Begründung des Bundesgerichtshofes dazu. Viele Apotheker bezeichnen die Begründung zum BGH-Urteil vom 29.11.2018 als Anfang vom Ende der inhabergeführten Apotheken und sehen sie als richtungsweisend an. Doch woher kommt die Aufregung?
Zunächst zu dem Urteil selbst
Der BGH entschied: Die Prämie in Höhe von zehn Euro ist als Verstoß gegen § 7 Absatz 1 des Heilmittelwerbegesetzes zu werten. (1): „Es ist unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen (...)“, wenn keine geregelte Ausnahme vorliegt. Zu diesen Ausnahmen gehören beispielsweise Apothekenzeitschriften, die kostenlos an Kunden abgegeben werden oder niedrigpreisige Werbegeschenke. Ein Geldbetrag in dieser Höhe unterlaufe jedoch die Preisbindung, „sofern dieser oder der geworbene Neukunde ein preisgebundenes Arzneimittel erwerbe“.
Apotal sieht Inländerdiskriminierung
Mit dieser Regelung sollen Verbraucher davor geschützt werden, dass monetäre Faktoren beeinflussen, welche Arzneimittel sie einnehmen. Außerdem sollen so „ruinöse Preiskämpfe“ der Apotheken untereinander vorgebeugt und „das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung“ abgesichert werden.
Die Preisbindung wird nach einem Urteil des BGH aus dem Jahre 2010 bereits dann unterlaufen, wenn der für Arzneimittel festgelegte Preis als Grundlage genommen wird, dafür aber Boni in anderer Form gewährt werden. Apotal empfindet diesen Umstand als Inländerdiskriminierung, da ausländische Versender diese Boni gewähren dürfen. Das Gericht sieht das nicht. Die deutschen Versorger hätten die Vorteile der unmittelbaren Kundennähe. Außerdem sei eine Ungleichbehandlung rechtlich unbedenklich, wenn zwingende Gründe wie zum Beispiel die Aufrechterhaltung der Arzneimittelpreisbindung vorliegen würden.Preisbindung: Für BGH nicht in Stein gemeißelt
Die Urteilsbegründung sorgt besonders deswegen für Aufruhr, weil das BGH die Preisbindung für Arzneimittel in Deutschland offenbar keineswegs in Stein gemeißelt sieht. Die Preisbindung könne dann in Frage gestellt werden, „wenn Versandapotheken verschreibungspflichtige Arzneimittel auf dem inländischen Markt ohne Rücksicht auf die Preisbindung tatsächlich in einem Umfang veräußerten, dass eine ernsthafte Existenzbedrohung inländischer Präsenzapotheken eintreten würde und das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr gewährleistet wäre“. Das bedeutet nichts anderes, als dass die Preisbindung in dem Moment fällt, in dem der ausländische RX-Versand die deutsche Präsenzapotheke in die Knie gezwungen hat.
Was passiert, wenn die Preisbindung fällt?
Wie diese „ernsthafte Existenzbedrohung“ aber nun in Zahlen definiert wird, dazu gibt es bisher keine Angaben. Auch ab wann genau die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung von den Vor-Ort-Apotheken nicht mehr gewährleistet werden kann, ist unklar. Und erst dann sieht der BGH ja eine Inländerdiskriminierung. Was passiert aber im Markt, sollte die Preisbindung fallen? Eine geschlossene Apotheke wird dadurch nicht wieder öffnen und entlassene Mitarbeiter sowie insolvente Apothekenleiter werden dann sicherlich nicht jubeln.
Wir dürfen gespannt sein, ob es zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch große deutsche Versandapotheken gibt, die noch nicht aufgekauft wurden.
Ein Beitrag von Eva BahnBildquelle: jarmoluk, Pixabay