Seit Jahren leiden Apotheker unter Retaxationen. Nach vier Verhandlungsrunden ist es der Schiedsstelle jetzt doch noch gelungen, einen Konsens herbeizuführen. Ob sich der Schlichterspruch in der Praxis bewährt, wird sich zeigen.
Aufgrund marginaler Formfehler schwingen viele Kassen die Retax-Keule. Seit Jahren klagen Apotheker über vier- bis fünfstellige Verluste durch entsprechende Maßnahmen. Ende 2015 befragte das Institut für Handelsforschung (IFH) Köln rund 200 Inhaber zu dem heiklen Thema. Etwa 29 Prozent der retaxierten GKV-Rezepte wurden aufgrund von Formfehlern beanstandet. Für etwa 99 Prozent aller Befragten ist es sehr zeitaufwendig, GKV-Rezepte im Tagesgeschäft zu prüfen. Kein Wunder, dass sich alle Teilnehmer Lösungsansätze von der Politik wünschen. Genau das ist eigentlich schon geschehen – anfangs ohne durchschlagenden Erfolg.
Nach wiederholten Beschwerden hatte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe beide Partner der Selbstverwaltung in die Pflicht genommen. Sein GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) führte zu folgender Änderung im V. Sozialgesetzbuch, Paragraph 129: „In den Rahmenvertrag ist erstmals bis zum 1. Januar 2016 zu regeln, in welchen Fällen eine Beanstandung der Abrechnung durch Krankenkassen, insbesondere bei Formfehlern, eine Retaxation vollständig oder teilweise unterbleibt; kommt eine Regelung nicht innerhalb der Frist zustande, entscheidet die Schiedsstelle [...].“ Nur konnten sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband nicht auf Details zum Rahmenvertrag verständigen. Wie von Berlin vorgesehen, folgten mehrere Schlichtungsgespräche bei der Schiedsstelle unter Vorsitz von Dr. Rainer Hess. Jetzt ist dem Unparteiischen ein Durchbruch geglückt.
Dr. Rainer Hess, unparteiischer Vorsitzender der Schiedsstelle. Foto: ArztWiki Wie beide Verhandlungspartner berichten, sollen „unbedeutende formale Fehler des verordnenden Arztes, die weder die Wirtschaftlichkeit noch die Therapiesicherheit betreffen“, nicht mehr dazu führen, dass Apotheker um ihr Honorar gebracht werden. Inhaltlich gehören dazu beispielsweise unleserliche Unterschriften, einzelne fehlende Angaben der Praxis oder sonstige abweichenden Schreib- oder Kennzeichnungsweisen auf dem Rezept. Nach telefonischer Rückfrage dürfen Apotheker künftig offiziell Ergänzungen vornehmen. Beide Seiten hoffen jetzt auf mehr Rechtssicherheit durch geringeren Interpretationsspielraum.
Im nächsten Schritt wird Rainer Hess das Schiedsstellenvotum beiden Partnern offiziell zustellen – als Basis eines Rahmenvertrags nach Paragraph 129 Absatz 2 SGB V. Als Termin steht der 31. Mai im Raum. Einen Tag später greifen die neuen Regelungen. Nullretaxationen gehören aber nicht gänzlich der Vergangenheit an. Falls Apotheker ohne Grund keine Rabattarzneimittel abgeben, bleibt es bei drakonischen Strafen. Das Bundessozialgericht hatte bereits zwei Grundsatzurteile gesprochen (Az.: B 1 KR 49/12 R und B 1 KR 5/13 R).