Zwar ist die Anti-Baby-Pille immer noch die erste Wahl der Schwangerschaftsverhütung. Sie bekommt aber zusehends von anderen Produkten Konkurrenz. Welche Methoden setzen sich durch, welche bleiben auf der Strecke? Eine persönliche Einordnung.
Zuallererst möchte ich die klassische Kombinationspille beleuchten. Schließlich gibt es sie seit 1960 und in den Industrienationen ist sie nach wie vor das gängigste Verhütungsmittel. Die Kombination aus Östrogenen und Gestagenen ist mittlerweile sehr niedrig dosiert. Das Nebenwirkungsprofil ist damit ärmer geworden und bei korrekter Einnahme ist die Pille eines der sichersten Verhütungsmittel überhaupt.
Für junge Frauen ist sie nach wie vor das Einstiegsverhütungsmittel und kann, sofern es keine Kontraindikationen gibt, bis zur Menopause eingenommen werden. Als Erstverordnung wird in der gynäkologischen Fachwelt ein Präparat mit Levonorgestrel empfohlen, da es der Gestagenanteil ist, der in einer Kombination mit Östrogenen die wenigsten Thrombosen verursacht. In der Praxis beobachtet man den Haupteinnahmezeitraum zwischen dem 16. und 40. Lebensjahr. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen bis zum 20. Lebensjahr die Kosten, ab dem 16. Lebensjahr braucht es keine Zustimmung eines Erziehungsberechtigten mehr.
Die transdermale Hormonapplikation in Form eines Verhütungspflasters hat sich nicht durchgesetzt. Für Frauen, die ein gutes Körpergefühl haben, gibt es seit einigen Jahren den Verhütungsring. Dieser wird für drei Wochen vaginal eingelegt und nach einwöchiger Pause durch einen neuen ersetzt.
In bestimmten Situationen ist ein Kombinationspräparat kontraindiziert, da das Östrogen für die erhöhte Thromboseneigung unter Pilleneinnahme verantwortlich ist. Die Verordnung eines reinen Gestagenpräparats kommt jedoch in bestimmten Risikokonstellationen in Frage. Das betrifft unter anderem Frauen, bei denen eine positive Thrombophiliediagnostik vorliegt, die bereits eine Thrombose erlitten haben oder unter einer Migräne mit Aura leiden. Nikotinabusus, ein erhöhter BMI oder Hypertonie sind ebenfalls Risikofaktoren. Wer über 35 Jahre alt ist und mehr als 15 Zigaretten pro Tag raucht, darf keinesfalls eine Kombinationspille erhalten. Die WHO hat hierzu eine detaillierte Übersichtsliste herausgegeben, die immer wieder aktualisiert wird und auf keinem Gynäkologenschreibtisch fehlen sollte. Sie ist ein wertvoller Leitfaden für die medizinisch korrekte Verordnung von Antikonzeptiva.
Natürlich ist auch das Nebenwirkungsprofil zu beachten. Positive Nebenwirkungen werden therapeutisch genutzt. Kombinationspillen werden neben der Verhütung auch zur Zyklusregulation oder bei sehr starker Akne, die anderweitig nicht in den Griff zu bekommen ist, eingesetzt. Andererseits kann es zu negativen Nebenwirkungen kommen, die einen Präparatewechsel oder eine gänzlich andere Antikonzeption erfordern. So stehen Kombinationspillen und reine Gestagenpillen im Verdacht, die Neigung zu Depressionen eventuell zu fördern. Eine ohnehin dafür empfängliche Patientin sollte daher eher von einer hormonellen Antikonzeption absehen. Ein kontrovers diskutiertes Thema ist die eventuelle höhere Karzinogenese unter einer hormonellen Verhütung. In der Literatur gibt es Hinweise auf einen möglicherweise leichten Risikoanstieg für ein Mamma- oder Zervixkarzinom, allerdings aber auch darauf, dass die Einnahme der Pille das Risiko für ein Ovarial- oder Colonkarzinom verringern kann.
Im Moment geht der Trend von der oralen hormonellen Antikonzeption hin zur Hormonspirale. Bisher war eine Spirale nur Frauen vorbehalten, die bereits ein Kind vaginal geboren haben. Mittlerweile ist Nulliparität keine Kontraindikation mehr für ein Intrauterinpessar. Es gibt Hormonspiralen, die auch jungen Frauen appliziert werden können. Daraus entstehen viele Vorteile: bei exakter Lage ist eine Hormonspirale sehr sicher, da keine Anwendungsfehler erfolgen können. Die hormonelle Belastung ist größtenteils nur lokal im Uterus und ausschließlich durch Gestagene. Somit handelt es sich ebenfalls um eine Gestagen-only-Methode, die in Risikokonstellationen wie oben beschrieben einsetzbar ist. Es gibt Hormonspiralen mit einer Liegedauer von drei oder fünf Jahren. Positive Nebenwirkungen sind verringerte Periodenblutungen bis hin zur Amenorrhoe. Negativ bewertet werden anfängliche Blutungsunregelmäßigkeiten, Gesichtsakne und mögliche depressive Verstimmungen. Insgesamt sind Nebenwirkungen eher selten und die Hormonspirale tritt zunehmend in Konkurrenz zur klassischen Pille. Insbesondere pillenmüde Frauen fragen gezielt nach der Hormonspirale.
Andere Antikonzeptiva spielen in der täglichen Praxis eher eine untergeordnete Rolle. So ist die Kupferspirale zwar weiterhin eine Alternative, wird aber zugunsten der Hormonspirale weniger nachgefragt. Ihr Vorteil ist ein günstiger Preis und die völlige Hormonfreiheit. Dafür ist die Sicherheit etwas geringer und eine Hypermenorrhoe häufiger. Wenig durchgesetzt hat sich das Verhütungsstäbchen, welches subdermal am Oberarm angebracht wird. Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine Gestagen-only-Methode. Häufige Blutungsstörungen und der kleine operative Eingriff halten die Patientinnen meist davon ab. Weniger sichere Methoden wie Zyklus-App, Diaphragma und chemische Antispermizide sind nur bestimmten Konstellationen vorbehalten. Ebenso das klassische Kondom, welches aber immer als Ergänzung und als Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten empfohlen werden sollte.
In meiner Praxis spüre ich sehr deutlich eine zunehmend kritische Haltung gegenüber der klassischen Kombinationspille. Bisher galt sie als das Verhütungsmittel schlechthin, wird aber insbesondere auch von jungen Patientinnen immer häufiger hinterfragt und nicht selten abgelehnt. Dazu hat sicher auch die wiederholte Berichterstattung in den Medien über thromboembolische Zwischenfälle unter Kombinationspräparaten beigetragen. Ich habe auch den Eindruck, dass das Risikobewusstsein in unseren Fachkreisen zugenommen hat und die individuelle Anpassung einer Kontrazeption an die jeweilige Patientin Standard geworden ist. Ich selbst verordne häufiger Gestagen-only Methoden, die nach WHO-Liste ein sehr breites Einsatzspektrum haben. Besonders fällt mir auf, dass junge Frauen sich bewusst für ein IUP entscheiden.
Selbst favorisiere ich die Verordnung von Hormon IUPs, da sie sicherer als Kupferspiralen sind und durch den verstärkten cervikalen Schleimpfroff einen gewissen Schutz gegen STIs bieten. Ein IUP kann man nicht vergessen, was im Praxisalltag unter oraler Kontrazeption leider häufig vorkommt. Junge Frauen, die noch keine Kinder geboren haben und damit auch noch einige Jahre warten möchten, verhüten mittlerweile sehr sicher und unkompliziert mit einer Hormonspirale. Die hormonelle Belastung ist hierbei gering. Dieser Trend wird sich in meinen Augen weiter fortsetzen. Immer wieder berichten Patientinnen nach langer Zeit der Pilleneinnahme über „Pillenmüdigkeit“ und wollen komplett auf Hormone verzichten. Man fühle sich unter der Pille emotional wie „in Watte gepackt, traurig und unecht“, so das Resümee, das nicht selten in der Sprechstunde anklingt.
Manche steigen dann auf das Kondom um, andere sehen ihre Familienplanung als abgeschlossen an und entscheiden sich für eine Sterilisation oder seltener Vasektomie. Leider sind Männer auf diesem Ohr häufig taub und Aussagen wie „Das würde er nie machen“ höre ich oft. Ich persönlich vermute, dass der Trend zu möglichst wenig Hormonen zunimmt. Die erste Hormonspirale (Mirena®) hat nun eine kleine Schwester bekommen (Kyleena®), die bei einer gleichen Liegedauer von 5 Jahren mit weniger Hormonen genauso zuverlässig verhütet. Und würde man mich fragen, worauf eine Antikonzeption der Zukunft mehr achten sollte: auf den Mann!
Die entscheidende Frage bleibt nun, welcher Patientin sollte welches Verhütungsmittel empfohlen werden. Heute kommen insbesondere junge Frauen gut über das Internet informiert in die gynäkologische Praxis. Das ist prinzipiell von Vorteil, wobei auch viel medizinisch nicht Verifiziertes im Internet zu finden ist. Freundinnen und Aufklärungsaktionen in den Schulen spielen für Patientinnen eine nicht unerhebliche Rolle bei der Wahl der eigenen Verhütung. Am wichtigsten erscheint mir aber das ausführliche, individuelle Beratungsgespräch in der gynäkologischen Praxis. Nur so kann die Patientin sicher gehen, dass mögliche Risikokonstellationen erkannt werden. Als sehr praktikabel hat sich hierbei ein Fragebogen erwiesen. Dieser wird bei den Kontrolluntersuchungen aktualisiert. Außerdem bekommt die Patientin ein Merkblatt ausgehändigt, das die Risikoerhöhung und Symptome einer Thrombose unter einer Kombinationspille erläutert.
Ein Kommentar von Petra Brandt.