Vaskuläre Risikofaktoren gelten als die zweithäufigste Ursache für eine Demenz. Kardiologen und Neurologen wollen diese Risiken möglichst früh aufspüren und haben nach neuen Wegen gesucht: Wie sinnvoll ist die Ultraschalluntersuchung der hirnversorgenden Arterien?
Die Alzheimer Krankheit ist die häufigste Ursache für eine Demenz im mittleren bis späten Lebensalter. Vaskuläre Faktoren gelten als die zweithäufigste Ursache für eine Demenz in dieser Lebensspanne. Reine vaskuläre Demenzen, z.B. ausgelöst durch einen strategisch ungünstigen Infarkt in bithalamischer Lokalisation oder durch multiple Mikroinfarkte wie bei unbehandeltem chronischen Vorhofflimmern, sind zahlenmäßig wahrscheinlich viel seltener als solche Risikokonstellationen, bei denen degenerative und vaskuläre Prozesse interagieren (sogenannte „Mischdemenz“). Diese Wechselwirkung ist bislang unzureichend verstanden.
Arteriosklerose und erhöhter Blutdruck sind als Risikofaktoren für die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Demenz identifiziert. Wie sie am Ende aber das Auftreten einer Demenz begünstigen, indem sie beispielsweise zu einer direkten Beschleunigung von degenerativen Prozessen, wie der Anhäufung von ß-Amyloid 1-42, führen, ist unklar. Man verspricht sich von einem besseren Verständnis dieser Wechselwirkung jedoch einen potenziellen Nutzen, insbesondere auch für die Behandlung der Alzheimer Erkrankung. Bislang existieren hier keine krankheits-modifizierenden Therapien und insofern liegt ein Augenmerk der Forschung auf dem besseren Verständnis verschiedener existierender Risikofaktoren.
Vor diesem Hintergrund ist die gerade auf der American Heart Association vorgestellte Whitehall II Studie ein weiterer sehr spezifischer Beleg dafür, dass eine Identifikation vaskulärer Risikofaktoren Jahre vor dem Auftreten einer Demenz wichtig und möglich ist. Die Autoren haben mittels Duplexsonographie bei insgesamt 3.192 Personen in einem Alter von 58 bis 74 Jahren die Amplitude von Vorwärts-Pulswellen in der Arteria carotis communis gemessen.
Dabei war eine erhöhte Amplitude signifikant mit einer beschleunigten Abnahme kognitiver Funktionen assoziiert, die mehrfach über einen Zeitraum von gut 10 Jahren in verschiedenen kognitiven Domänen evaluiert wurde. Interessant ist, dass die gleichzeitig mit der Pulswellenmessung in der Arteria carotis communis registrierte Blutdruckamplitude in der Arteria brachialis zwar mit ersterer korrelierte, aber nicht mit dem beschleunigten kognitiven Abfall. Das kann man so interpretieren, dass die Personen, bei denen bereits im mittleren Lebensalter eine veränderte vaskuläre Dynamik in den spezifisch für die zerebrale Versorgung zuständigen Gefäßen detektiert wird, ein gegenüber Hypertonikern, bei denen das nicht der Fall ist, nochmals erhöhtes Demenzrisiko aufweisen.
Das könnte z.B. daran liegen, dass die Pulswellenspitzen zu einem irregulären zerebralen Blutfluß und damit einer nicht optimalen Sauerstoffversorgung führen oder auch auf Dauer die Widerstandsgefäße des Gehirns schädigen, was dann in Folge die Sauerstoffversorgung weiter beeinträchtigen würde.
Therapeutisch hieße das, dass man diese Personen möglicherweise energischer und konzeptionell anders behandeln müsste als andere Hypertoniker. Dazu bedarf es aber eines vertieften mechanistischen Verständnisses der zugrundeliegenden Pathomechanismen, beispielsweise einer gestörten Windkesselfunktion, die die großen hirnversorgenden Gefäße mit einbezieht. Unter der Windkesselfunktion von herznahen Gefäßen versteht man deren Eigenschaft aufgrund einer ausgeprägten Wandelastizität Blutdruckschwankungen im Rahmen von Systole und Diastole zu dämpfen und damit insgesamt für einen konstanteren Blutdruck zu sorgen.
Abschließend kann man sagen, dass eine Ultraschalluntersuchung der hirnversorgenden Arterien möglicherweise in Zukunft routinemäßig weitere vaskuläre Risikofaktoren neben arteriosklerotischen Veränderungen und dem Grad der Stenosierung, auf denen bisher das Augenmerk liegt, identifizieren kann. Das Ziel einer solchen Untersuchung und auch der vorliegenden Studie besteht jedoch nicht darin, eine frühzeitige Demenzdiagnose zu stellen, wie ein Artikel von CNN suggeriert, sondern zu einer effizienteren Sekundärprävention von Demenzen beizutragen.
Bildquelle: Thomas Fisher Rare Book Library, UofT, flickr
Artikel von: Dr. Andreas Lüschow