In seinem Labor manipulierte der chinesische Professor Jiankui He nach eigenen Angaben das Genom von Babys – und zwar ohne Genehmigung und jegliche ethische Skrupel. He steht weltweit in der Kritik. Auch der Deutsche Ethikrat ist fassungslos. Jetzt schreitet die chinesische Regierung ein.
„Vor einigen Wochen kamen zwei wunderschöne kleine chinesische Mädchen mit den Namen Lulu und Nana schreiend zur Welt – wie jedes andere gesunde Baby auch.“ So beginnt Professor Jiankui He seinen Videobericht, der weltweit für Diskussionen sorgt.
In seinem Labor an der South University of Science and Technology of China soll der Forscher erstmals das Erbgut von Babys mithilfe des Verfahrens CRISPR/Cas9 im Rahmen eines genomchirurgischen Eingriffs verändert haben. Es handelt sich bei den Eltern um Mark und Grace. Trotz Kinderwunsch blieb das Paar bis vor kurzem kinderlos, denn Mark ist mit HIV infiziert.
He bot ihnen und anderen Paaren die Teilnahme an seinem Experiment an. Ziel war es, das Erbgut von Embryos von dem Gen CCR5 zu befreien, in der Hoffnung, die Babys resistent gegen HIV zu machen. „Als Lulu und Nana noch eine einzige Zelle waren, entfernten wir mittels Eingriff die Tür, durch die HIV eintritt und Menschen infiziert“, so ein Auszug aus dem Video, das bislang als Hauptinformationsquelle dient. Eine geprüfte wissenschaftliche Publikation existiert nicht.
Hes Eingriff stellt „eine ernste Verletzung ethischer Verpflichtungen dar“, so die gestrige Stellungnahme des Deutschen Ethikrats via Pressemitteilung. Darin macht der Rat vor allem auf das Risiko aufmerksam, das mit einem solchen Verfahren einhergeht. Durch den Einsatz von CRISPR/Cas9 könnte es zu dauerhaften und potenziellen Veränderungen in allen angesteuerten Körperzellen kommen, die auch an spätere Nachkommen vererbt werden könnten. Keimbahneingriffe dieser Art wurden hierzulande bislang nur an Tieren getestet. Eine klinische Anwendung des Genome-Editings an menschlichen Embryonen wurde bisher auf internationaler Ebene aus Sicherheitsgründen klar abgelehnt.
„Der Einsatz von Genome-Editing am menschlichen Embryo ist zum jetzigen Zeitpunkt und beim derzeitigen Stand der Technik in keiner Weise zu verantworten, erst recht nicht ohne einen dringenden medizinischen Grund“, sagt Peter Dabrock, der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates. Von einer noch nicht zu gewährleistenden Sicherheit abgesehen muss Hes Eingriff auch ethisch wie moralisch hinterfragt werden: „Die hier angeblich behandelten Embryonen hätten sich auch ohne einen solchen Eingriff zu gesunden Menschen entwickeln können. Die Menschheit muss ein Mitspracherecht haben. […] Kurzum: Bei den Experimenten handelt es sich um unverantwortliche Menschenversuche. Die Politik muss sich auf globaler Ebene endlich des Themas annehmen.“
Dabei geht es auch um einen weltweiten Machtkampf der Wissenschaft, wie Dabrock gegenüber der Tagesschau erwähnt: „Es liegt nahe zu vermuten, dass es hierbei auch darum geht, die Führerschaft der Chinesen im Bereich Lebenswissenschaft zu demonstrieren.“
Nachdem Hes Projekt international sowie seitens chinesischer Forscher auf heftige Kritik stieß, kündigte die chinesische Regierung nun Maßnahmen an: Der Fall muss überprüft werden, hieß es seitens der nationalen Gesundheitskommission in Peking. Eine Untersuchung ist bereits eingeleitet, berichtet die Tagesschau. Für seine Forschungsarbeiten hätte He im Vorfeld eine Genehmigung der Behörden sowie eine ethische Bewertung des Amts für Gesundheits- und Familienplanung in Shenzhen einholen müssen. Beides ist laut China Daily nicht geschehen. Auch die Universität, an der He arbeitet, hatte angeblich nichts von dem Projekt gewusst, es soll außerhalb der Universität ausgeführt worden sein.
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