Sunja-Marie ist ein Sorgenkind. Am Wochenende hat sie zweimal erbrochen, kurz danach kaum gegessen. Zur Sicherheit fahren die Eltern direkt mal in die Kinderklinik. Samstag und Sonntag. Auch heute kann sich Sunja-Marie nicht erholen, weil sie zu Gast in meiner Praxis ist.
Sunja-Marie, zweieinhalb Jahre alt, hat am Samstagnachmittag zweimal erbrochen. Die Eltern fuhren mit ihr daraufhin in die nahegelegene Kinderklinik, trafen dort – schließlich war es schon 23:23 Uhr – auf den diensthabenden Arzt der Kinderklinik.
Untersuchung des Kindes. Eintrag des Kollegen: „Guter AZ, Gastroenteritis. Kind weint viel bei Untersuchung. Keine spezifische Therapie.“ Die Eltern fahren nach Hause. Sunja-Marie liegt um kurz vor 1 Uhr nachts in ihrem Bett.
Das Kind isst „nichts“!
Am nächsten Tag, Sonntag, isst sie „nichts“, so die Eltern. Auf genaueres Nachfragen trank sie morgens eine Flasche Kuhmilch. Aus der Flasche. Kuhmilch. Noch im Bett. Bis zum Mittag wollte sie nichts essen. Das Mittagessen verschmäht sie. Sie bekommt noch ein Flasche Milch.
Da das Kind auch am Abend „nichts“ gegessen hat, denken die Eltern, man könne mal Fieber messen. Ergebnis: „Achtunddreißigzwo, im Po“. Man fährt wieder in die nahegelegene Kinderklinik, diesmal etwas früher am Abend, immerhin 20:15 Uhr. Sie treffen auf die diensthabende Kollegin aus der Niederlassung.
Untersuchung des Kindes. Eintrag der Kollegin auf dem Vertretungsschein: „Kind esse nicht. Erbrechen am Vortag. Brüllt während der gesamten Untersuchung. Kein pathologischer Befund. Temperatur normal.“ Die Eltern fahren nach Hause. Schlafen gegen 23 Uhr.
Zorn und Abwehr der Sunja-Marie
Montag. Die Eltern fahren mit Sunja-Marie in unsere Praxis. Ohne Termin. Hier verbringen sie zwei Stunden, da zwischen 9 Uhr und 11 Uhr am Montagmorgen üblicherweise in Kinderarztpraxen der Punk abgeht. Allerdings mit geplanten Terminen. Die Eltern berichten alles, wie oben beschrieben. Auf meine Frage, was ich heute für sie tun kann, da schon zwei Kollegen am Wochenende das Kind gesehen haben, antworten sie: „Sie hat heute morgen nur ein halbes Toast gegessen. Und eine Flasche Milch. Außerdem nochmal checken, ob alles in Ordnung ist.“
Untersuchung des Kindes. Nicht angenehm für Sunja-Marie. Sie möchte keine Ärzte mehr sehen, möchte nicht mehr untersucht werden. Sie macht einen sehr vitalen (also abwehrigen, brüllenden, zornigen) Eindruck. Ich finde nichts Pathologisches an ihr.
Gespräch mit den Eltern über Krankheitsverläufe bei Kleinkindern, mangelndem Appetit, Fehlernährung im Kinderkrippenalter und Versicherung, dass das Kind vermutlich kerngesund sei.
Vater: „Dann kommen wir vielleicht am Mittwoch nochmal. Zur Sicherheit.“