Die Eltern sind mit ihrem Neugeborenen zur U3 bei mir in der Praxis. Unkomplizierte Geburt, drei Stunden insgesamt, glänzender Apgar. Die Eltern berichten, dass sie auch schon beim Osteopathen waren. Das hätte sie beruhigt, wegen des „Geburtstraumas“.
Mutter: „Wir waren ja auch schon mal beim Osteopathen. Die hat auch gesagt, das Kind sei völlig in Ordnung.“
Wir befinden uns bei der U3, der ersten Untersuchung in der Kinderarztpraxis, ich sehe das Kind also das erste Mal. Vorher hat die Hebamme das Kind bei der Geburt gecheckt, sodann der kinderärztliche Kollege in der Entbindungsklinik bei der U2. Es war eine normale Entbindung, der Apgar war wunderbar, das Kind gedeiht gut.
Ich: „Was hat Sie da hingebracht?“
Keine Ahnung, warum das in den letzten Jahren so zunimmt. Seit Jahrtausenden kommen Kinder ja so auf die Welt. Okay, die Medizin macht Fortschritte, aber leider auch das Geldverdienen damit.
Vater: „Die Hebamme meinte, das sei eine gute Idee, schließlich war es eine lange Geburt.“
… die nach Angaben der Eltern drei Stunden ging, von Eintreffen in der Klinik bis zum Abnabeln.
Mutter: „Und das Geburtstrauma und so.“
Ich kann mich diesem Begriff so gar nichts anfangen. Es gibt lange Entbindung über mehrere Hebammenschichten hinweg, meine Frau kann auch ein Lied davon singen. Okay. Auch eine Saugglockenentbindung ist kein Spaziergang für das Kind. Okay. Oder eine Schulterdystokie. Okay. Aber eine dreistündige Geburt mit einem anschließenden Apgar von 9/10/10 und einem Nabelschnur-pH von 7,4?
Ich: „Was wurde da gemacht?“
Ich war noch nie bei einer osteopathischen Behandlung dabei. Ich kenne das nur von Videos und Erzählungen der Eltern, aber meist ähnelt es sich ja.
Mutter: „Sie hat so ein wenig am Kopf gestreichelt und am Rücken. Dann noch die Beine ausgestrichen, so nannte sie das. Ist aber alles in Ordnung.“
Ja, das konnte ich bei der U3 auch feststellen. Ein quietschfideles, vitales, lautes Mädchen. Es hat interessiert geschaut, hat sich toll bewegt, konnte den Kopf prima halten, alle Untersuchungsparameter waren perfekt.
Ich: „Das ist doch schön. Hat Sie das dann beruhigt?“
Mutter: „Ja, man ist ja dann schon sicherer, wenn jemand sagt, das Kind sei in Ordnung. Meine Freundin sagte, die Kinder können nach der Geburt ganz schön durcheinander sein. Da kann die Osteopathin helfen.“
Oder die Zeit. Oder eine erfahrene beruhigende Hebamme. Oder die tägliche Routine. Oder die Zeit.
Was wir den Eltern raten sollten? Lasst euch nicht anstecken vom Verunsicherungszeitgeist. Kinder kommen in vielen Ländern, in vielen Entbindungskliniken seit vielen Jahren durch Hilfe von vielen Hebammen zur Welt.
Die Mütter können das auf natürliche instinktive Weise sehr gut! Die Kinder schaffen das auch. Geburt ist Stress, keine Frage, aber habt mehr Vertrauen in die Resilienz eurer Babys. Die halten schon Einiges aus.
„Wir wollen ja nichts verpassen“ als Devise kann ich gut verstehen, mir ging es bei unseren Kindern ähnlich. Aber neu erfundene Diagnosewege für imaginäre Krankheiten, die sich auf wundersame Weise, vulgo dank der Natur, selbst kurieren, verursachen nur Unsicherheiten.
Niemand kann wissen, wie unsere Kinder sich entwickeln. Osteopathische Diagnostiken werden die Entwicklung der Kinder jedenfalls nicht beeinflussen, sondern nur euren Geldbeutel leeren.