Legitimerweise kann sich ein Patient eine Zweitmeinung einholen, und nicht immer deckt sich diese mit der ersten Einschätzung des Krankheitsbildes. Trotzdem sollten wir in unseren Äußerungen über den Kollegen wertschätzender formulieren.
Ich möchte mich hier ausdrücklich bei allen Kollegen entschuldigen, denen ich in meiner Laufbahn bisher Inkompetenz angedichtet habe. Manchmal war es der Unfallchirurg, der beim Platzwundenähen vergessen hat, den Tetanusschutz des Patienten aufzufrischen, der Assistent in der Kinderklinik, der das Extremfrühgeborene am Freitagabend nach Hause entlässt, oder der niedergelassenen Hausarzt, der dem Dreijährigen Cefuroxim verordnete. Nur so als Beispiele.
Es gibt immer Gründe für unser Handeln. Sei es Stress am Arbeitsplatz, Stress durch den Vorgesetzten, Stress durch den Patienten oder Stress durch (in unserem Fall sehr oft) Angehörige. Jeder kann seine Kompetenzen überschreiten, ein gutes Fehlermanagement gehört zum Arztberuf genausp dazu wie das Rezepteschreiben. Nur lernen muss man aus ihnen.
Um aus Fehlern zu lernen, muss man davon erfahren
Ich schicke genug Patienten auf die Reise – am Wochenende, im Notdienst, in Vertretung. Ihren weiteren Krankheitsverlauf kann ich nicht mehr im Auge haben, da sie in der Regel woanders betreut werden. Und ich mache auch Fehler. Da wäre es schön, wenn mal eine freundliche kompetente und sachliche Rückmeldung dazu käme, was nicht so optimal lief.
Aus diesem Grund schicke ich auch Patienten, die beim Facharzt versorgt werden (bei uns vor allem Pulmologen, Hautärzte, Chirurgen) zurück, wenn die verordnete Therapie nicht richtig fruchtet: „Der hat mir dies und das aufgeschrieben, aber das bringt ja gar nichts“. Wie soll der Kollege korrigierend eingreifen, wenn er den Erfolg oder Misserfolg seiner Bemühungen nicht wiedersehen darf? Ein zweite Meinung mag für den Patienten zwar eine zweite Chance sein, für den Erstbehandler ist sie es nicht. Im besten Fall bekommst du eine ähnliche Diagnose, eine andere Therapie bekommst du immer, denn die „zweite Meinung“ hat den Vorteil des Nachbehandelns.
Ich spiele ungern Kontrollinstanz
Ich werde mitunter auch um eine Zweitmeinung gebeten. Das begeistert mich nicht, weil ich zwar das Recht des Patienten dazu sehe, mich aber stets als Kontrollinstanz überhöht fühle. Ich greife nur selten in das vorgeschlagene Regime des Kollegen ein, sondern plädiere, wenn ich die Sachlage anders einschätze, dafür das Gespräch mit dem Vorbehandler zu suchen.
Je weiter die Diagnostik- und Therapiekette dann gediehen ist, und es gibt Patienten, die Arzt nach Arzt und Heilpraktiker nach Heilpraktiker „durcharbeiten“, desto höher die Wahrscheinlichkeit, das allumfassende Heilmittel zu finden. Auf nichts anderem bauen ja viele Alternativverfahren auf. Die Zeit heilt vieles.
Über Kollegen lästern ist ein No-Go
Fehler sind okay, Fehler sollten nicht wiederholt werden. Aus Fehlern kann jeder lernen. Also gestehen wir sie jedem zu. Was aber gar nicht geht: Über den Kollegen schlecht reden.
Ein absolutes No-Go. Wir sollten unserem Berufsstand soviel Ehrgefühl und Kollegialität entgegenbringen, dass wir rhetorisch nicht entgleisen, sondern besonnen und nüchtern formulieren. Die Patienten werden es uns und dem Ärztestand danken.
Entschuldigung, liebe Kollegen, für die bösen Gedanken, die ich euch manchmal hinterher sende. Die Patienten haben davon nichts gehört.
Euer kinderdok
Ursprünglich hier