Nachdem ich Joline-Marie fertig untersucht hatte, Vier-Jahres-Check, alles in Ordnung, bis auf die wiederholten „Steuer“-Versuche der jungen Dame, setzte ich mich an den Schreibtisch, die Mutter zog ihre Tochter an. Es entwickelte sich folgender Dialog:
Mutter: „Oh, Joline-Marie, jetzt haben wir die Strumpfhose vergessen. Naja, ist jetzt auch egal, oder?“
JM: „Mag keine Strumpfhose.“
Mutter: „Magst du keine Strumpfhose?“
JM: „Mag keine Strumpfhose.“
Mutter: „Aber draußen ist es kalt. Sollen wir dir noch die Strumpfhose anziehen?“
JM: „Nein!“
Mutter: „Wäre aber schon besser, oder?“
JM: „Keine Strumpfhose.“
Mutter: „Na, komm, wir ziehen sie schnell an, okay?“
JM: „Nein.“
…
Mutter: „Also gut. Dann eben nicht. Wir sind ja auch gleich am Auto. Dann lassen wir die Strumpfhose weg, oder?“
JM: „Strumpfhose anziehen!“
Woran mich das erinnert? An diesen Retro-Kinderdok-Klassiker:
Niemals Fragen fragen
Wichtigste Erziehungsregel: Stell deinem Kind keine Entscheidungsfragen.
„Na, Denni-Robin-Luca, sollen wir heute noch eine Impfung machen?“
„Komm, Rosa-Lisa-Susa, jetzt ziehen wir noch das T-Shirt aus, ja? Damit dich der Doktor untersuchen kann, okay?“
„Magst nicht Guten Tag sagen, Richard-Louis-Frank?“
„Gell, jetzt darf dich der Doktor anschauen, okee, Lilli-Maja-Suri?“
Never ever. Denn darauf gibt’s immer nur eine antwort: Nein.
Besser: „So, Denni-Robin-Luca, jetzt kommt noch die Impfung, kurzer Piekser, haben wir ja besprochen.“
„Okay, jetzt zieh ich dich kurz aus, damit der Doktor schauen kann, ob du auch gesund bist. Hose, Socken, T-Shirt, schwupps, siehste, Rosa-Lisa-Susa, fertig.“
usw. usf.
Manche Dinge brauchen nur Feststellungen, Erschaffen von Tatsachen, Herleiten von unumgänglichen Abläufen. Vorbereitung, ja. Aber wenn’s drauf ankommt, keine Fragen stellen. Ein Kind muss nicht andauernd um ein Einverständnis gebeten werden. Manchmal muss man als Elternteil zeigen, dass manche Dinge einfach so laufen, wie sie laufen und wie man sie als Elternteil vorgibt. Das schafft Sicherheit. Wer seinem Kind die Möglichkeit des Neins gibt, überträgt ihm auch ein Gefühl von Unsicherheit, dass mamapapa nicht wissen, was jetzt passieren soll.