Hausgeburten sind für Kinderärzte stets mit Sorge um das Wohlergehen des Neugeborenen besetzt, auch wenn Studien etwas anderes sagen. Alleingeburten kann man kaum diskutieren. Und dann gibt es noch völlig Ungeplantes.
Letztens las ich in einem Vorsorgeheft bei der U1 den interessanten Eintrag „Externe Entbindung“, auf meine Nachfragen bei den Eltern bei der U3 folgt die stolze Aussage des Vaters: „Ich habe das Kind auf dem Rücksitz des Wagens entbunden.“ Tolle Sache, oder? Es ist das erste Kind und die Eltern dachten, wie meistens beim ersten Kind, sie hätten ausreichend Zeit, um mit den ersten Wehen die Entbindungsklinik zu erreichen. Leider war das nicht so.
Entbindung am Feldweg
Trotz einer Fahrt von wenigen Minuten, die Klinik war nur fünfzehn Kilometer entfernt, musste das Paar an einem Feldweg neben der Bundesstraße anhalten, das Neugeborene wollte kommen. Als der Rettungswagen vorbildlich nach zehn Minuten eintraf, war das Kind schon geschlüpft.
Ich habe den Eltern versichert, dass ich, trotz beruflicher Erfahrung, glücklich bin, dass unsere Kinder nicht diesen Akutweg genommen haben. Während der Vater erzählte, schwang Stolz mit, in beiden Blicken der Eltern, aber auch Erleichterung, dass nichts Schlimmes passiert ist.
Hausgeburten?
Ich habe Respekt vor Eltern und Hebammen, die den Weg einer Hausgeburt wählen. Für meine Frau kam das nicht infrage, für mich sowieso nicht, dazu habe ich häufig genug erlebt, dass auch unter optimalen Bedingungen in der Klinik einiges schief gehen kann und wie Hausgeburten enden können.
Sehr bedenklich finde ich dabei, dass Hausgeburten als „natürlich“, als „unbelastet“ und „frei“ interpretiert werden, ohne sie im gleichen Atemzug „riskant“ zu nennen. Es mag sein, dass bei Mehrfachgebärenden eine Entbindung zu Hause zügig und unproblematisch vonstatten geht. Es mag auch sein, dass Mütter sich in der heimischen Umgebung wohler fühlen – geschenkt, das ist klar, wer ist schon gerne im Krankenhaus? – und die Betreuung einer erfahrenen Hebamme bei der Hausgeburt ist immer vorausgesetzt. Dennoch kann ich in der heutigen Zeit in der Abwägung aller Umstände kein Übergewicht für eine Hausgeburt sehen.
Wer nicht ins Krankenhaus will, hat viele Möglichkeiten
Es gibt genug Kompromisslösungen: Ambulante Geburten (bei denen die Mutter nach wenigen Stunden wieder nach Hause geht), Entbindungen in modernen Mutter-Kind-Zentren (mit Couch, warmen Farben, Wassergeburten usw.), Geburtshäuser mit kinderärztlicher Betreuung oder einer Gynäkologie über die Straße. Warum also die Entbindung im Wohnzimmer?
Genug radikale Meinungen zu dem Thema gibt es ja, ausreichend Vorurteile werden bedient: Die Unpersönlichkeit des Krankenhauses, das „Hinarbeiten“ auf den Kaiserschnitt, vielleicht auch die Angst vor Infektionen. Erschreckend, dass die Angst vor „Kind vertauscht“, „Mißbrauch der DNA“ oder „emotionalem Mißbrauch“ ebenso dazu gehören. Sie vernebeln besorgten jungen Eltern den Blick auf die Risiken einer Hausgeburt: Plötzliche Überforderung der entbindenden Hebamme; Herauszögern einer Entscheidung, die Hausgeburt bei Problemen abzubrechen; Depression des Neugeborenen ohne ausreichende pädiatrische Versorgung.
Informationen von Experten
Selbstverständlich muss jedes Paar die Entscheidung, wo das Kind zur Welt kommen soll, selbst treffen – ja, das ist eine Entscheidung beider und Väter sollten sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Glücklicherweise gibt es inzwischen genug Möglichkeiten, die näheren Entbindungskliniken an „Geburtsabenden“ oder an „Tagen der offenen Tür“ genauer in Augenschein zu nehmen. Für viel wichtiger halte ich aber das Sammeln von Informationen durch Experten: Durch erfahrene Hebammen, die schon einmal eine riskante Hausgeburt betreut haben, bei der nicht alles so glatt lief, von Kinderärzten, die zu Hausgeburten gerufen wurden oder schildern können, was dem Neugeborenen passieren kann und auch die Sicht der Entbindungskliniken, die ja versuchen, die Vorurteile und Sorgen der Eltern abzubauen.
Eine Geburt ist ein natürlicher Vorgang. Dennoch gibt es in heutigen Zeit nicht umsonst ein medizinisches Netz, um dem Neugeborenen einen sicheren Start zu ermöglichen. Anekdoten in diese oder jene Richtung helfen jungen Eltern nicht.
Nächstes Mal wieder externe Entbindung?
Das Paar vom Anfang hatte sich klar für eine Geburt in der Klinik entschieden. Auf meine saloppe Bemerkung, beim nächsten Kind stünde dann ja einer Hausgeburt nichts im Wege, der Vater habe doch ausreichend geübt, kam jedoch von beiden die überzeugte Aussage „den Stress einer unsicheren Geburt geben wir uns nicht noch einmal.“
Aus Spiegel online zum Thema Hausgeburt vs. Klinkgeburt
Studie aus dem British Medical Journal, vielfach zitiert, die keinen Nachteil einer Hausgeburt ausmacht – sieht aber den Benefit vor allem bei Mehrfachgebärenden.
Beitrag ursprünglich hier veröffentlich.