Wir ertrinken in Patienten, in besorgten Eltern, in Husten, Schnupfen, Fieber, in Aussagen wie „so krank war er noch nie“, „wird denn das gar nicht besser“ und „wir machen uns Sorgen“. Das Personal ist am Limit, selbst dezimiert wegen eigener Rotzenasen oder -kinder. Die Kindergärten machen Kleingruppenunterricht oder schließen komplett, weil die Erzieherinnen fehlen.
Die Schulen verlangen Krankenatteste wegen der Grippewelle, als merke man das nicht auch so bei dem Hustengeräuschepegel im Unterricht. Geplante Termine wie Impfungen oder Vorsorgeuntersuchungen versuchen wir auf ruhigere Monate zu verschieben, wenn das geht, aber Säuglings-Us kann man eben nur jetzt machen. Die Gesunden wollen sich bei uns nichts holen, die erhaltenen Termine zu Impfungen und Vorsorgen werden nicht wahrgenommen, aber auch nicht abgesagt. Die Kinder waren eben kurzfristig krank und das Telefon wohl defekt.
Die MFA schichten mit Früh- und Spätdienst, teils mit „Kernzeit“, um den größten Run abzufedern, wir Docs arbeiten so gut es eben geht durch, in den letzten drei bis vier Wochen mit einer Wochenarbeitszeit von ca. 50 bis 60 Stunden.
Die ersten drei Tage der Woche sind die schlimmsten, kein Feierabend vor 20 Uhr. Montag kommen die „vom Wochenende krank“ und die Kinder-Krank-Schein-Nachfrager, Dienstag die Verschobenen vom Montag, Mittwoch die Vertretungen, Donnerstag ebbt es kurz ab und Freitag schließlich die „vor dem Wochenende, falls es schlimmer wird“. Alle sind sie krank, keine Frage.
Am Telefon versuchen die MFA, in der Triage die dringlichsten Fälle herauszufiltern, aber wer will das am Telefon schon entscheiden? Sie versuchen, allen Termine zu geben, heute oder gleich morgen, vielleicht erst um Neunzehnvierzig (was sollen wir schon machen), bitten um Geduld und Entschuldigung, bekommen Verständnis und Ungeduld.
Auch wenn sich die Fälle wiederholen, auch wenn die Eltern nach den berühmten drei Tagen erneut kommen, weil „immer noch nicht besser“ („ja, aber eine Grippe dauert nun mal sieben bis zehn Tage“ – „ja, schon, aber können Sie nicht doch ein Antibiotikum …?“), auch wenn für jede Familie ihr eigenes Kind das wichtigste ist und der Drehpunkt aller Krankheiten:
Leute! Es. Sind. Alle. Krank. Und alle wollen Rettung.
Und Leute! Es wird besser. Es wird immer besser. Jedes. Jahr.