Das spätere Grundschulalter mit teils beginnender Pubertät ist von Wachstumsschüben geprägt und eine filigrane Zeit für die Wirbelsäule. Junge Patienten können sich in dieser Lebensphase einiges kaputt machen, wenn sie selbst, die Eltern und letztendlich wir, nicht aufpassen.
Seit wir in den letzten Jahren vermehrt die neuen Vorsorgen U 10 (7/8 Jahre) und U 11 (9/10 Jahre) durchführen, richten wir auch größeres Augenmerk auf die Körperhaltung der Kinder. Früher sahen wir viele unserer Patienten im Grundschulalter seltener als heute, zur Vorsorgeuntersuchung sogar erst wieder im Jugendalter mit der J 1 (12/13 Jahre).
„Haltung“ ist ein unschätzbares Gut
Auch wir Eltern haben das von unseren Eltern oft gehört: „Sitz gerade, halte dich gerade, dein Rücken wird krumm, wie lümmelst du schon wieder rum?!“ und dergleichen. Das hat seine medizinische Berechtigung, auch wenn unsere Eltern vielleicht ein anderes Motiv für ihre Forderungen hatten. Wer rumlümmelt, habe schließlich auch eine schwache Haltung dem Leben gegenüber. Naja.
Bereits Anfang dieses Jahrtausends beschäftigten sich Orthopäden und Pädiater mit dem Einfluss von Medien auf die Haltung der Kinder, da waren Handys noch gar nicht so verbreitet wie jetzt – weitere Studien hierzu werden also nicht lange auf sich warten lassen.
Was auf jeden Fall bei den o.g. Vorsorgeuntersuchungen offensichtlich wird: Wer Sport treibt, hat die deutlich bessere Körperhaltung, egal, ob es sich um eine Fußballerin dreht oder einen Ballettänzer. Meine Patienten frage ich immer: „Was machst Du sonst in Deiner Freizeit? Sport? Musik?“
Schade, wenn dann als Antwort kommt, man habe keine Zeit für so etwas. Diese Kinder und Jugendlichen sind meist nicht nur dicker als andere, sie sind vor allem unbeweglicher, haben einen schlechteren (Einbein-/Zehen-)Stand und versagen in einfachsten Koordinationsübungen (Hampelmann, Seitsprung oder Balancestand). Die Rückenmuskulatur ist schwach ausgebildet, dadurch die Führung der darunterliegenden Wirbelsäule eingeschränkt, kommt nun noch eine wenig beachtete Grundhaltung dazu (bei Hausaufgaben, in der Schule, Tragen einer Schultertasche), entstehen Haltungsschäden, die sich bei J1 in Skoliosen oder Rundrücken zeigen.
Unsicherheit oder schwacher Rücken?
Achtet mal auf eure heranwachsenden Kids, insbesondere beim Übergang ins zweite Lebensjahrzehnt, wenn der erste Wachstumsschub kommt und sich die ersten sekundären Geschlechtsmerkmale zeigen: Viele Jugendliche halten sich dann an sich selbst fest, d.h. sie verschränken die Arme, sie stützen sich mit einer Hand in der Hüfte ab, sie schieben die Hände in die Hosentaschen (vorne oder hinten, oder wie letztens gesehen, eine vorne, eine hinten).
Das mag zunächst wie Schüchternheit wirken, wie Unzufriedenheit oder Unsicherheit mit dem eigenen Körper, vielfach ist es aber eine schwach ausgebildete muskuläre Grundhaltung. Sportler, insbesondere Kampfsportler, aber auch Tänzer und oder Chorsänger stehen ganz anders da, weil ihre Betätigung das so fordert.
Wie bringt man Kindern Haltung bei?
Brust raus, Nase hoch, Schultern ein wenig zurück (ohne gleich ins Hohlkreuz zu verfallen) sind einfache Ausrichtungen, um den Kindern eine gute Körperhaltung zu demonstrieren. Wer sich sonst schwer tut, stellt sich in einen guten Stand, nimmt die Arme gerade nach oben und hält sie dann waagerecht nach rechts und links. Nach einer kurzen Ausrichtung lässt man jetzt die Arme langsam zu beiden Seiten des Körpers herabsinken, ohne die Schultern nach vorne zu verschieben – et voilà, das ist eine gerade Grundhaltung.
Haltung hat natürlich etwas mit persönlicher Haltung zu tun, mit Selbstvertrauen, mit eigener Meinung und eigener Haltung zu den Dingen. Präsenz in einer Gruppe geht mit Körperhaltung einher, nicht mit Hochnäsigkeit, sondern mit Standfestigkeit, mit einem guten sicheren Blick auf die Welt. Als Eltern sollten wir das vorleben, nicht mit verbalen Ermahnungen, nicht so rumzulümmeln, sondern mit einer eigenen Geradlinigkeit und Rückgrat.
Zum Blog geht es hier.