Immer noch nicht impfbar: der böse alte Scharlach. Damit bleibt er die häufigste Kinderkrankheit in meiner Praxis. Und er ist hartnäckig – in England ist er so verbreitet wie nie zuvor. Nehmen die Fälle an Streptokokkenerkrankungen auch hierzulande zu?
Aus England wird berichtet, dass dort eine ungewöhnliche Häufung an Scharlach-Fälle für dieses Jahr verzeichnet wurde. So wurden beinahe 20000 Fälle im Jahr 2016 gemeldet, zu vergleichenden knapp 5.000 Fällen drei Jahre zuvor. Die Infektiologen sehen immer wieder Schwankungen in der Epidemiologie der Streptokokken-Infektion, aber so viele Erkrankte seien noch nie gemeldet worden. Dies sei auch in anderen Ländern der Fall, jedoch nirgendwo so ausgeprägt wie in England. Der Grund ist nicht bekannt.
In Deutschland werden Scharlach-Erkrankungen nicht gemeldet, im National Health System von Großbritannen ist dies verpflichtend, daher gibt es keine validen Zahlen für unser Land. Das epidemiologische „Gefühl“ des einfachen Kinderarztes erlaubt keine Rückschlüsse auf eine Erhöhung der Zahlen in den letzten Jahren. Ganz im Gegenteil: Scharlach scheint ständig anwesend zu sein in den Kindergärten unserer Stadt, manche Einrichtungen sind zwischenzeitlich dazu übergegangen, die handschriftlichen Aushänge an den Eingängen gegen Messingtafeln auszutauschen: „Wir haben Fälle von Scharlach“.
Genaue Definition von Scharlach ist wichtig
Aber wir wollen das kurz genauer definieren: Unter Scharlach versteht der Kinderarzt eine Streptokokken-Infektion (übrigens der Gruppe A) des Rachens und des gesamten Organismus, d.h. mit Fieber, typischem Rachenausschlag, einer typisch verfärbten Zunge und einem mehr oder wenig ausgeprägten, aber klassischen Exanthems am Körper.
Scharlachsymptome:
Das ist ein Scharlach. Eine bloße Rachenentzündung mit Halsweh und Rötung mit Nachweis der A-Streptokokken (z.B. durch einen Schnelltest) ist strenggenommen nur eine Streptokokken-Pharyngitis oder -Tonsillitis, also Gaumen- und/oder Mandelentzündung. Da unterscheiden hiesige Kinderärzte zumindest teilweise, während man in der angloamerikanischen Literatur stets von „Scarlet fever“ spricht. Die Behandlung ist jedoch die gleiche. Wird ein Scharlach oder eine Streptokokken-Rachenentzündung lege artis behandelt, sind Folgeschäden vernachlässigbar. Ich kenne keinen Fall.
Vor der Therapie steht die klare Diagnose
Ein alleiniger Nachweis von Streptokokken im Rachen ohne sonstige Symptome ist keine Infektion (sondern nur eine Besiedelung) und sollte nicht unnötig behandelt werden. Es wird zuviel unnötig „abgestrichen“. Ebenso halte man sich an die McIsaac/Centor-Kriterien, einem Score, der eine klinische Abschätzung erlaubt, ob eine Streptokokkeninfektion vorliegt (Kriterien oben fett gedruckt). Auch hier gilt: Nur bei eindeutigen Symptomen mit Streptokokken-Nachweis im Abstrich wird behandelt. Übrigens mit einem einfachen Penicillin, Resistenzen gibt es nicht, Allergien sind seltener als man denkt, die Behandlungszeit sind sieben volle Tage, keine zehn Tage, wie dies von älteren Kollegen noch empfohlen wird (die Leitlinie sagt schon lange etwas anderes).
Obligatorische Nebenbemerkung des gemeinen Kassenarztes: Streptokkokken-Schnelltests werden im System der Gesetzlichen Krankenversicherung übrigens nur bis zum 12. Lebensjahr bezahlt. Der Sinn entzieht sich dem gesunden Menschenverstand. Das bedeutet, dass sich Ärzte jenseits dieses Alters noch klarer sein müssen über oben genannte klinische Symptome, denn viele werden mangels Vergütung auf die recht teuren Tests verzichten.
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