BEST OF BLOGS | Kinder mit Verbrennungen zu behandeln, gehört zu meinen schwersten Aufgaben. Sie haben schreckliche Schmerzen, die Eltern sind völlig aufgelöst, machen sich Vorwürfe. Der Anblick der verbrannten Haut tut weh.
Bei uns: 7:30 Uhr Frühbesprechung, Patient Klüsing und Peters kommen hinterher auf die Intensiv.
Du bist schon viel länger wach als wir. Hast die Mama gerufen, geweckt und durch dein fröhliches Lachen für den frühen Start in den Tag entschädigt.
Bei uns: „Bei Brühl und Günther bitte nochmal nach der Gerinnung gucken und klären, ob man da einen PDK legen kann, noch Fragen? Einen erfolgreichen Tag allerseits.“
Du guckst Mama bei der Morgenroutine zu, arbeitest dich am Boden an den Handtüchern und der dort liegenden Wäsche ab. Der Schlafanzug riecht nach Papa, der Pulli von Mama duftet und ist auch noch kuschelig. Oh, die Bürste schmeckt herrlich. Mit den Füßen bekomme ich die so noch besser im Mund gedreht.
Bei uns: Umkleiden für den OP, raus aus dem blauen Kasack, rein in die grünen Klamotten, OP-Haube und Mundschutz an, erstes Kind begrüßen, gegessen? getrunken? Nein? Gut. Letzter Gerätecheck and off we go ...
Zum Frühstück gibt es Brei. Den macht Mama mit diesem Blubberdings. Das leuchtet sogar bunt! Und es hat einen Schwanz. Wie dein Kuscheltierschweinchen. „Das angel ich mir ja auch immer an dem Ringelschwanz“, denkst du.
Bei uns: Metallentfernung rechter Arm bei Z. n. Unterarmfraktur vor zehn Wochen, gesundes Kind, 2,5er Larynxmaske. „Guten Morgen OP-Team“, „Gut, und bei dir so?“ Freigabe, Schnitt, Blutdruckwerte protokollieren.
Du ziehst am Ringelschwanz vom lustigen Blubberdings und diese eine Sekunde verändert die nächsten Monate. Und Jahre. Es wird deine Selbstwahrnehmung und dein Selbstbewusstsein beeinflussen. Es lässt dich schneller reifen, als es dir und deinen Eltern lieb ist. Dein Verhältnis zu Ärzten und Krankenhäusern verändert sich für immer.
„Kind 3 J., Mehrfachverbrennung durch Wasserkocher, Landung in 12 Minuten, Aufnahme über Schockraum und Kinderintensiv.“
Und dann sehen wir uns. Du kommst in einem Dämmerzustand zu uns, driftest immer wieder in die medikamentöse Traumwelt ab, kämpfst dich zurück, guckst die aufgelöste Mama an. Deine Mama hat jetzt schon feuerrote Augen, ist völlig verheult und macht sich Selbstvorwürfe in XXL. Mama unterschreibt die Daueraufklärung. Wir nehmen dich mit. Du bekommst eine amtliche Narkose, wir legen einen zentralen Venenzugang – du wirst ihn brauchen. Es folgt das Debridement.
Mit einer Art Scotchbritt (und ich rede von der harten Seite) wird die verbrühte Hautschicht abgerubbelt. Es sieht brutal aus und das ist es auch. Es tut mir weh, das mit anzusehen. Klar, du hast Narkose, du bekommst das nicht mit. Und während die schmerzhafte Therapie beginnt, siehst du gleichzeitig so unfassbar friedlich und entspannt aus.
Du hast einen langen Weg vor dir. Es wird weh tun. Hinterher. Du bekommst eine Schmerzdauerinfusion und wirst die nächsten Tage im Dämmerzustand zwischen Schmerz, Schlaf und einer surrealen Wach-Welt pendeln. Deine Eltern werden mit Stofftieren und allerlei Firlefanz versuchen, dich abzulenken. Es gelingt mal besser und mal schlechter. Alle zwei bis drei Tage werden die Verbände gewechselt und mit ein bisschen Glück gehörst du zu der Hälfte der Patienten, bei denen sich die Wunden nicht infizieren.
Manchen reichen fünf, andere benötigen zehn oder fünfzehn Narkosen. Du veränderst dich langsam, aber kontinuierlich. Wächst an der Herausforderung und benötigst viele Medikamente, um die Schmerzen auf ein erträgliches Niveau zu dämpfen.
Was schmerzt, ist das Wissen, dass Narben bleiben werden. Nein, es wird nicht wieder alles gut. Manchmal sind auch im höheren Alter noch Anpassungsoperationen notwendig, wenn die Narbe zu sehr spannt. Es bleibt ein Schaden, der nun mal nicht dem gesellschaftlichen Ideal von glatter Hochglanzmagazinhaut entspricht. Da können wir dir noch so oft sagen, was für ein hübscher Mensch du bist. Einer 14-jährigen in der Pubertät tun die Narben auch 12 Jahre nach dem Unfall weh.
Der Kinderdok hat vor einiger Zeit zum „Tag des brandverletzten Kindes“ die wichtigsten Präventionspunkte zusammengefasst. Mir ist das ebenfalls wirklich wichtig! Ich habe Espresso, Wasserkocher, Latte Macchiato und Cappuccino, Wasserkocher, Suppe, Suppe, Suppe, Teewasser, Samowar, Suppe, geplatzte Wärmflasche, Wasserkocher und noch viel mehr gesehen. Das ist nicht schön. Auch uns Ärzte und Pflegende belasten diese Geschehnisse.
Die Angst vor einem Stromschlag ist relativ gesehen irrational hoch, das Risiko recht gering, wird aber durch die flächendeckende Steckdosensicherheitsnöppsiverklebung dramatisiert. Der Respekt vor heißem Wasser ist dagegen fast nicht vorhanden.
Ein kleiner Exkurs noch zu dem Thema der zeigt, welche Konflikte durch einen kurzen Moment der Unachtsamkeit entstehen können: Wir haben ein fünfjähriges Mädchen türkischer Eltern behandelt, Z. n. Verbrühung mit heißem Tee. Die Arme und Beine waren großteils verbrüht, die Therapie war relativ gut fortgeschritten und nun ging es um die Transplantation von gesunder Haut auf die beschädigten Bereiche. Eines der gängigsten Verfahren ist nach wie vor den Kopf kahl zu rasieren und die Haut oberflächlich in Streifen vom Kopf abzuscheren. Das kann man deshalb gut machen, weil hinterher wieder Haare drüber wachsen und man die Spuren nicht mehr so schlimm sieht.
Nicht so bei diesen Eltern. Der Vater und die Mutter insistierten, dass ihrem Kind nicht die hübschen Haare abgeschnitten werden sollten, man könne die Hautentnahme doch von der Brust machen. Ja, kann man, wenn es gar keine andere Möglichkeit gibt. Aber nicht, wenn der Kopf völlig unversehrt ist.
Wir machen auf die Langzeitfolgen aufmerksam: „Ihre Tochter möchte ja vielleicht auch mal einen Badeanzug anziehen?“ Der Vater antwortet: „Die bleibt verschleiert bis zur Hochzeit und auch danach hat sie nichts zu tragen, wo man ihre Haut sehen kann.“ Überflüssig zu sagen, dass sich die Chirurgen darüber hinweg gesetzt haben und Kopfhaut transplantiert haben.
Ich erspare euch auch die Geschichte von den Eltern, die sich über die langmonatige Behandlung ihres Kindes schließlich getrennt haben oder auch die Geschichte von dem Kind, das von seiner Mutter angezündet worden ist.
Es passieren schlimme Dinge und wir freuen uns für jedes Kind, das nicht den Weg in unser Zentrum findet.
Bildquelle: Ryan Jvr, unsplash