Morgen ist es wieder soweit: Die Medimeisterschaften gehen in die 15. Runde. Mehr als 10.000 junge Mediziner werden dieses Jahr erwartet, die den stillgelegten sowjetischen Militärflugplatz Obermehler in Thüringen bis zum 12.06. in eine Partyhochburg verwandeln.
Ursprünglich war es die Liebe zum Sport, genauer gesagt die Liebe zum Fußball, die dafür sorgte, dass sich Medizinstudenten aus ganz Deutschland versammelten, um gegeneinander anzutreten. In einem Turnier sollte die beste Fußballmannschaft unter den Medizinfakultäten ermittelt werden.
Angefangen hat alles ganz klein, als sich 2002 erstmals ein paar hundert Medizinstudenten aus verschiedenen Universitäten trafen, um gegeneinander zu kicken. An der Grundidee der Medimeisterschaften hat sich bis heute nichts geändert. Universitäten aus ganz Deutschland melden Fußballteams an, die dann im Turniermodus gegeneinander antreten. Ein Team besteht aus mindestens 11 Spielern, wobei immer nur 6 Spieler pro Team auf dem Feld stehen dürfen. Gespielt wird auf einem Kleinfeld (50m x 30m). Wer es durch die Gruppenphase schafft, muss sich dann in K.O.-Spielen gegen die Gegner behaupten. Während die Idee noch die gleiche ist, haben sich die Dimensionen inzwischen geändert. So werden dieses Jahr über 90 Mannschaften gegeneinander antreten, die von mehr als 10.000 erwarteten Besuchern angefeuert werden. Dabei geht es den Organisatoren nicht darum, sich selbst zu bereichern, sondern die krasseste Party des Jahres zu schmeißen. Auch liegt für viele junge Leute der Fokus nicht mehr auf der sportlichen Herausforderung. Feiern, bis der Arzt kommt, lautet für viele die Devise. Der Großteil der Studenten nutzt dieses Wochenende, um einmal im Jahr aus dem stressigen Studentenalltag auszubrechen. Ein Wochenende nicht an die nächste Klausur, die Doktorarbeit oder die nächste Famulatur denken. Auch Nachwuchsmediziner sind keine Maschinen und müssen mal die Sau rauslassen.
Und das machen sie. Wer ohne jegliches Vorwissen auf die Medimeisterschaften kommt, könnte diese auch mit einer Mischung aus Karneval und Festival verwechseln. Jede Universität besitzt ihr eigenes Motto, zu dem Kostüme entworfen und Fanfahrzeuge aufwendig gebastelt werden. So werden die Ulmer dieses Jahr als Top Gun Piloten an den Start gehen, die Hannoveraner als Panzerknacker, die Würzburger als Zombies, die Lübecker als Metzger und die Münchner als Hawaiianer. Insgesamt gibt es bisher 49 verschiedene mal mehr, mal weniger ausgefallene Mottos. Dazu wird auch bereits im Vorfeld jede Menge Aufwand betrieben. So werden von jeder Uni Teaser gefilmt und auf YouTube hochgeladen, in denen das Motto dargestellt wird. Außerdem stellen Veranstalter den teilnehmenden Unis „Challenges“, die sie meistern und ebenfalls ein Video davon hochladen müssen. Wie zum Beispiel: „PRANK – Baue einem Kommilitonen eine Falle“ oder „Baut einen Bogen und Pfeil und schießt damit so weit wie möglich“. Die Unis Dresden, Düsseldorf und Essen bauen sogar eigene Bühnen auf, von denen sie die feierwütige Menge mit feinsten Bässen beschallen.
Donnerstag ist üblicherweise Hauptanreisetag. Die Studenten kommen mit dem Auto oder von den Universitäten gecharterten Bussen, in denen es heißer zugeht als auf jeder Après-Ski Party. Kurz nach der Ankunft bauen die Erfahrenen unter dem Partyvolk als allererstes ihr Zelt auf, so gut sie das noch können. Die Neulinge öffnen sich erst einmal ein warmes Dosenbier und versuchen sich ein paar Stunden später am Zeltaufbau – oft ohne Erfolg. Der Grill wird angefeuert, um mit Würstchen und Steaks erstmal eine Grundlage zu schaffen. Diese wird zweifelsohne gebraucht, bei dem Programm, das noch ansteht. Die ersten sportlichen Aktivitäten finden bereits statt und es wird mit vollem Einsatz Flunkyball und Beer Pong gespielt. Neu ist dieses Jahr ein Beer Pong-Turnier, zu dem sich die teilnehmenden Mannschaften bereits vor den Medimeisterschaften qualifizieren müssen. Es treten jeweils die besten Mannschaften der Fakultäten gegeneinander an. Bis zum Abend haben erfahrungsgemäß die meisten einen gewissen Pegel erreicht und es zieht sie vom Zeltplatz auf das Festivalgelände. Tausende Zombies, Piloten, Metzger und Panzerknacker werden sich auch dieses Jahr dort wieder zum Tanzen und Feiern versammeln. Oft bis die Sonne wieder aufgeht. Wer jetzt versucht zu schlafen, hat meist kaum eine Chance, da der nette Zeltnachbar den Ghettoblaster um 5 Uhr morgens bereits wieder auf Anschlag dreht, um sein erstes Dosenbier am Freitagmorgen mit der passenden Musik zu zelebrieren. Die Pechvögel, die aus welchem Grund auch immer erst am Freitag anreisen können, haben die erste krasse Nacht leider verpasst, bringen dafür aber neuen Schwung auf den Zeltplatz und knüpfen nahtlos an die Feierleistung der am Donnerstag Angekommenen an. Trinken, Feiern, versuchen zu schlafen, weiterfeiern, bis Sonntagmorgen.
Dann werden wie jedes Jahr die Zelte abgebrochen und das ist auch gut so. Nach drei Nächten durchfeiern, die fast so hart sind wie drei Nächte durchlernen, schleppen sich die meisten nur noch aus ihren Zelten. Dosenbier wird nichtmehr genüsslich zum Frühstück getrunken, sondern zum Zähneputzen verwendet, da das Wasser gebraucht wurde, um den Brand am Freitag und am Samstag zu löschen. Zum Frühstück gibt es kein leckeres Bratwürstchen mehr, sondern die letzten Reserven, bestehend aus kalten Dosenravioli und Bohneneintopf, weil auch die Grillkohle zur Neige gegangen ist. Keiner lässt es sich anmerken, aber insgeheim sind alle froh, bald endlich wieder zuhause zu sein, eine warme Dusche zu nehmen und wieder in einem richtigen Bett zu schlafen, statt auf dem Erdboden. Dieses eine Wochenende reicht den Meisten, um den Rest des Semesters wieder gewissenhaft die Köpfe in die Bücher zu stecken, Nächte in der Bibliothek zu verbringen und Zusatzvorlesungen zu belegen, um gute Ärzte zu werden. Daher sei den Menschen, die sich in Zukunft die meiste Zeit ihres Lebens mit den Problemen und Sorgen anderer auseinandersetzen, dieses eine Wochenende im Jahr vergönnt, an dem sie ihre eigenen vergessen können. Ach ja, wie jedes Jahr, wird auch wieder eine Uni den Pokal mit nach Hause nehmen. Schließlich geht es ja um Fußball! In diesem Sinne freuen wir uns alle auf die diesjährigen Medimeisterschaften und hoffen, dass sie die vorausgegangenen noch übertreffen können.