Dass Extremsport nach mehrstündiger Aktivität zu einer akuten Vergrößerung der rechten Herzkammer führt, behaupten belgische Forscher. Eine langfristige Studie zeigt nun jedoch, dass Spitzensport keineswegs zu dauerhaften Schäden und Funktionseinschränkungen führen muss.
Mögliche Gefahren des Ausdauersports für das Herz werden bereits seit über hundert Jahren in der medizinischen Fachwelt diskutiert. Obwohl mittlerweile weitgehend Konsens besteht, dass es sich beim vergrößerten Sportherz um eine gesunde Anpassungsreaktion an regelmäßig betriebenen Ausdauersport handelt, lassen manche Studien auch sportbedingte krankhafte Veränderungen vermuten. So auch eine Studie belgischer Kardiologen und Sportmediziner, die 2012 publiziert wurde. Die Forscher stellten darin einen Zusammenhang zwischen Extrem-Ausdauersport und der akuten Vergrößerung und Funktionseinschränkung der rechten Herzkammer unmittelbar nach Belastung her. Genauer gesagt, beobachteten sie eine Vergrößerung und Funktionseinschränkung der rechten Herzkammer nach mehrstündigen Ausdauerwettkämpfen.
Allerdings wurde die daraus abgeleitete Hypothese einer langfristigen Schädigung der rechten Herzkammer durch Ausdauersport, zwischenzeitlich auch als „belastungsinduzierte Arrhythmogene Rechtsventrikuläre Cardiomyopathie (ARVC)“ bezeichnet, bislang nicht durch längsschnittliche Untersuchungen bestätigt. Deshalb war noch unklar, ob die von den Belgiern festgestellte und in der Fachwelt häufig diskutierte akute Vergrößerung der rechten Herzkammer nach Extrem-Ausdauersport tatsächlich in einen gefährlichen Dauerzustand mündet. Für die Saarbrücker Forscher um Prof. Dr. Jürgen Scharhag, Kardiologe und Sportmediziner, und Dr. Philipp Bohm war die Hypothese: „Ausdauersport führt zu krankhafter Vergrößerung der rechten Herzkammer“, nicht unmittelbar einleuchtend. Am Saarbrücker Institut für Sport- und Präventivmedizin untersuchen die Wissenschaftler seit Jahrzehnten Spitzensportler aus vielen Disziplinen, darunter Triathleten, Schwimmer und Profi-Fußballer. Anzeichen, die die belgische These untermauerten, fanden die Saar-Forscher dabei nie. Daher beschlossen sie, die Hypothese zu überprüfen.
Dafür untersuchten sie 33 sogenannte Elite-Masterathleten, die im Schnitt 47 Jahre alt waren und verglichen sie mit einer Kontrollgruppe (ebenfalls 33 Männer, die ihnen in Alter, Größe und Gewicht ähnelten, aber keinerlei Ausdauersport betrieben hatten). Die Athleten, unter denen ehemalige Olympia-Teilnehmer ebenso wie ehemalige professionelle Ironman-Sieger und Teilnehmer zu finden waren, sind seit rund 30 Jahren leistungssportlich aktiv und trainieren nach wie vor rund 17 Stunden pro Woche. Die saarländischen Wissenschaftler konnten zwar feststellen, dass die Herzen der langjährigen Spitzensportler erwartungsgemäß deutlich größer und kräftiger waren als die der Kontrollgruppe. „Aber wir fanden keine Hinweise für eine dauerhafte Schädigung, krankhafte Vergrößerung oder Funktionseinschränkung der rechten oder linken Herzkammer durch langjährig betriebenen intensiven Ausdauersport“, erläutert Philipp Bohm.
Der Rückgriff auf hochtrainierte und leistungssportlich aktive Masterathleten ist ein Kniff, den die Saarbrücker Forscher angewendet haben: Da die beste Methode, das Herz und insbesondere die rechte Herzkammer zu untersuchen, die kardiale Magnetresonanztomographie (MRT) ist, diese jedoch noch nicht lange genug zur Verfügung steht und auch kein Routineverfahren zur Untersuchung von Sportlern darstellt, wird es auf absehbare Zeit keine systematischen kernspintomographischen Verlaufsstudien zum Sportherzen geben können. Eine Längsschnitt-Studie, bei der die Probanden vielleicht sogar über mehrere Jahrzehnte begleitet werden, wäre demnach mittels MRT noch gar nicht möglich. „Diese sogenannten Mastersportler repräsentieren derzeit also am besten den Langzeitverlauf langjährig betriebenen Ausdauerwettkampfsports”, erklärt Scharhag. Originalpublikation: Right and Left Ventricular Function and Mass in Male Elite Master Athletes Philipp Bohmet al.; Circulation, doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.115.020975; 2016