Wie wirksam ist medizinische Hypnose? Eine Review von Meta-Analysen der letzten zehn Jahre sollte den Beweis erbringen. Nach Angaben der Forscher liegt nun eine robuste Evidenz für die Wirksamkeit vor. Aber ein detaillierter Blick auf die Studie stellt alles in Frage.
Und ein weiterer Punkt aus dem Fazit zeigt Schwächen der Review: „Die medizinische Hypnose ist eine wirksame [...] Methode bei [...] Reizdarmbeschwerden.“ Was sind Reizdarmbeschwerden? Beim Reizdarmsyndrom handelt es sich um ein häufiges, aber relativ unscharf definiertes, gastroenterologisches Krankheitsbild, das durch diffuse abdominelle Beschwerden gekennzeichnet ist. Preisfrage: Wie soll eine unklar definierte Behandlungsmethode bei einer unklar definierten Krankheit wirksam sein?
Die Auswertung ergab außerdem, dass Hypnose nicht effektiver als eine Vergleichsbehandlung war, um Schmerzen während des Geburtsvorgangs zu verringern. „Außerdem gibt es einige Indikationen, bei denen die Datenlage nicht ausreichend ist, um die Wirksamkeit von Hypnose zu beurteilen“, sagt Häuser, der auch als Dozent für Hypnose tätig ist. „Das sind zum Beispiel Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapie oder nächtliches Einnässen.“
Bei der Review ist zu beachten, dass bei einer Meta-Analyse die Ergebnisse aus einer Vielzahl von Studien statistisch zusammengefasst werden, wobei oft auch Studien mit geringer methodischer Qualität eingehen. Wobei die methodische Güte in der aktuellen Review entsprechend gewichtet wurde. Ein weiteres Problem bei einer „Meta-Meta-Analyse“ ist, dass sich die Studien in den einbezogenen Meta-Analysen überschneiden können, sodass die tatsächlichen Effekte überschätzt werden. So wurden auch in der aktuellen Studie in drei Meta-Analysen teilweise die gleichen Originalstudien einbezogen.
Weiterhin untersuchte die Arbeitsgruppe auch den Effekt von Suggestion im Wachzustand in medizinischen Alltagssituationen. Sie identifizierten insgesamt fünf Studien, die einen günstigen Effekt der Wachsuggestion nahe legten: Drei der Studien zeigten, dass positive Suggestionen bei einem invasiven radiologischen Verfahren Schmerzen, Angst und den Gebrauch von Schmerzmitteln reduzierten – signifikant stärker als eine Standardbehandlung. Bei einer therapeutischen Suggestion werden die Aussagen mit überzeugender Stimme und Blickkontakt zum Patienten vorgebracht, im Gegensatz zur Hypnose wird dabei aber keine Trance induziert. Wie zu Beginn des Artikels bereits erwähnt, sind Suggestionen positiv formulierte Anweisungen, wie etwa: „Alles wird gut gehen“ oder „Wir bringen jetzt ein Blutdruckgerät und EKG-Elektroden an, damit Sie gut versorgt sind.“ Solche Sätze fallen auch in Arzt-Patienten-Gesprächen, die nicht als „hypnotische Kommunikation“ bezeichnet werden. Wo ist die Grenze zwischen einem freundlichen Arzt-Patienten-Gespräch und der hier benannten Suggestion im Wachzustand? Vielfach haben Studien belegt, dass die Kommunikation zwischen Arzt und Patient die Heilung sowohl positiv als auch negativ beeinflussen kann. Dass sogar die negative Aussage des Arztes über die Wirksamkeit eines Medikaments, die Wirkung des Heilmittels beim Patienten beeinflusst (Nocebo-Effekt). Deshalb soll auch an dieser Stelle nicht der psychologische Effekt positiv formulierter Aussagen in Frage gestellt werden, aber schließlich geht es hier um etwas anderes: Die Review will die Wirksamkeit von Hypnose unter Beweis stellen. Dazu bräuchte es zunächst eine klare Definition von Hypnose und später Doppelblind-Studien. Bei Operationen kann Hypnose ergänzend zur lokalen Betäubung oder Vollnarkose eingesetzt werden – hier sollte jedoch immer das übliche Spektrum der Anästhesie zur Verfügung stehen. „Meines Wissens gibt es in Deutschland aber bisher wenige gastroenterologische Praxen und Anästhesie-Abteilungen in Akutkrankenhäusern, in denen Hypnose angeboten wird“, sagt Häuser. Möglicherweise aus gutem Grund. Ärzte in Deutschland müssen lediglich eine 32-stündige Weiterbildung absolvieren, um Hypnose mit der Krankenkasse abrechnen zu können. Dieser Zeitrahmen lässt nicht vermuten, dass dort profundes Wissen vermittelt wird. Im Rahmender psychosomatischen Versorgung kann Hypnose sogar von allen Ärzten durchgeführt werden – hier wird bisher keine spezielle Hypnose-Ausbildung verlangt.
Dass Hypnose die Gesundheit der Patienten fördert sowie den Gebrauch von Medikamenten und die Zeit bis zur Genesung reduzieren kann, könnte eine wichtige Entscheidungsgrundlage für Ärzte und Kostenträger sein, sagt Susan Koranyi vom Universitätsklinikum Leipzig. Sie ist die Hauptautorin einer der fünf Meta-Analysen, die in die aktuelle Review einbezogen wurden. „Da es sich bei Hypnose um eine Kurzzeitintervention handelt und außerdem die Möglichkeit besteht, CDs einzusetzen, lässt sie sich vergleichsweise einfach in die medizinische Routine einbinden“, sagt die Psychologin. Doch auch sie und die Autoren einer weiteren der fünf Meta-Analysen betonen, dass die methodische Qualität der einbezogenen Studien zum Teil gering ist. Daher sollten weitere qualitativ hochwertige Studien durchgeführt werden, um die Wirksamkeit von medizinischer Hypnose weiter zu überprüfen bzw. zu untermauern.