Der Sommer ist da und der Blick auf die Füße wird freigegeben. Welche Krankheiten können Ärzte an den Fußnägeln ihrer Patienten ablesen? Die Nagelbeschaffenheit kann ein Indiz für schwerwiegende Erkrankungen sein. Was ist harmlos und wann wird es gefährlich?
Nagelveränderungen können vielfältige Ursachen haben. Oft, aber nicht immer handelt es sich um Fußpilz. Bleibt dieser zu lange unbehandelt, kann er auf die Fußnägel übergehen. Ärzte, die genau hinsehen, können aber auch andere Erkrankungen an der Beschaffenheit der Patientennägel erkennen. Im Folgenden eine Liste mit den wichtigsten Punkte, auf die Mediziner achten sollten.
Das häufigste Problem am Patientenfuß ist der Fußpilz. Jeder Dritte ist davon betroffen. Laut Dr. Yael Adler, Dermatologin aus Berlin, ist es schwierig, dass Patienten ihre Erkankung manchmal nicht erkennen. Sie berichtet von einem Patienten, der über trockene Füße klagte, obwohl er die Haut immer eincremte. „Es war keine trockene Haut, es sah nur so aus: Schuppen, eine leichte Rötung und manchmal Bläschen, das ist dann der Fußpilz.“ Weiter weist sie darauf hin, dass Raucher, Diabetiker, ältere Menschen und Personen mit Krampfadern besonders anfällig für Fußpilz sind. Als prophylaktische Maßnahmen nennt sie eine gute Pflege der Füße. Ein Tipp, den Ärzte ihren Patienten außerdem geben können: „Erst Socken anziehen, dann die Unterwäsche. Sonst würde man per ,Unterhosentaxi' den Fußpilz in die Leistengegend transportieren.“ Auch empfiehlt sie Betroffenen, lieber den Arzt aufzusuchen als selbst eine Behandlung mit frei verkäuflichen Medikamenten zu beginnen. „Damit verdirbt man sich die Diagnostik. Die Pilze ziehen sich schnell zurück und der Arzt hat keine Möglichkeit mehr, herauszufinden, welcher Pilz das ist.“ Sehr häufig wird die Erkrankung durch Pilze der Gattung Trichophyton ausgelöst, deren Sporen beispielsweise in Schwimmbädern oder Sporthallen meist indirekt übertragen werden. Adler nennt eine weitere Ansteckungsquelle: „Es ist gar nicht so selten, dass man sich im Nagelstudio ansteckt, wenn der vorherige Kunde eine Pilzerkrankung hatte. Nicht immer ist dort ein medizinischer Sterilisator vorhanden und eine Desinfektion oder ein Ultraschallbad reichen nicht, um die langlebigen Sporen abzutöten“. Onychomykose des Großzehennagels. ©DAR7 [CC BY-SA 4.0], Wikimedia CommonsWenn Hautpilz den Nagel vom äußeren Rand her befällt, dann entsteht eine Onychomykose, die meist die Zehennägel betrifft. Im Gegensatz zu älteren Menschen tritt die Erkrankung bei Kindern nur selten auf. Typischerweise treten gelbbraune streifige Verfärbungen auf, die Nägel sind krümelig und onycholytisch. Adler empfiehlt, rechtzeitig zum Arzt gehen: „Sobald die komplette Nagelplatte befallen ist, muss man in der Regel mit Tabletten ran.“ Zur Verbesserung der Compliance der oft langwierigen Therapie von Nagelmykosen profitieren viele Patienten von speziellen Apps für Nagelmykosen, die durch Erinnerungen und Hintergrundinformationen zur konsequenten Behandlung motivieren. Einen Spezialfall stellt die proximale weiße subunguale Onychomykose dar, sie gilt als ein Leitsymptom für eine HIV-Infektion.
Was die Nägel seiner Patienten angeht, sollte der Arzt auf jede Auffälligkeit achten. Flecken, Rillen oder brüchige Nägel verraten viel über den Gesundheitszustand. Längsrillen sind in der Regel harmlos und treten als normale Alterungserscheinung auf. Trockene und brüchige Nägel hingegen entstehen häufig durch den intensiven Kontakt mit Feuchtigkeit sowie Chemikalien, zum Beispiel aus Seifen, Putzmitteln oder Kosmetika. Chemische Schäden können meist durch eine Beseitigung der Ursache vermieden werden. Hilfreich sind beispielsweise das Tragen von Handschuhen bei bestimmten Tätigkeiten, transparente Nagellacke oder rückfettende Pflegeprodukte. Medikamente, aber auch virale Infekte oder Pemphigus vulgaris können die Nagelmatrix beeinträchtigen, sodass Querrillen entstehen. In schweren Fällen kann das Wachstum komplett unterbrochen werden und eine Ablösung der Nagelplatte folgen. Dies kann zum Beispiel bei Schulkindern einige Wochen nach der durch Coxsackie-Viren ausgelösten Hand-Fuß-Mundkrankheit vorkommen. Mechanisch hervorgerufene Schäden an Fuß- und Fingernägeln können bei Stress oder psychischer Anspannung durch zwanghaftes Kauen oder Reißen sowie Bearbeiten der Nägel mit Scheren entstehen. Diese Schäden sind durch eine Lokaltherapie schlecht behandelbar, da die Ursache im Verhalten zu suchen ist. Subunguale Hämatome, weiße Flecken (Leuconychie) oder Querrillen werden etwa durch Traumen verursacht.
Auch an den Nägeln können sich Tumoren entwickeln. Dr. Siegfried Borelli vom Dermatologischen Ambulatorium im Stadtspital Triemli, Zürich, weist in seinem Review darauf hin, dass die Abgrenzung von Hämatomen und Melanomen im Nagelbereich besonders dann schwierig ist, wenn der Patient sich nicht an ein Trauma erinnern kann. Auch eine nachgewiesene Einblutung schließt einen Tumor nicht aus. Eine weitere Herausforderung ergibt sich bei amelanotischen Melanomen, die vom Nagelbett ausgehen. Braune, streifige oder flächige Veränderungen sind häufig die Folge von melanozytären Prozessen. Eine Melanonychie tritt jedoch nicht nur im Rahmen eines malignen Melanoms auf, sondern auch als Naevus. Prinzipiell haben Melanome im Nagelbereich dieselbe Prognose wie an anderen Lokalisationen. Einer Studie zufolge werden sie jedoch durchschnittlich erst mit einer Verzögerung von zwei Jahren diagnostiziert, was sich entsprechend negativ auf die Prognose auswirkt. Borelli empfiehlt, bei destruktiven Veränderungen der Nagelplatte sowie blutenden Prozessen eine Biopsie zum Ausschluss eines Malignoms durchzuführen. Im Gegensatz dazu bevorzugt Kate E. Oberlin von der Abteilung für Dermatologie und kutaner Chirurgie der Universität von Miami (Florida, USA) bei Kindern mit Melanonychie „angesichts der Seltenheit von Neoplasien einen konservativen Ansatz, um unnötige Biopsien und Beunruhigung zu vermeiden.“ Tumoren im Matrixbreich führen zu braunen, roten oder keratotischen Längsstreifen und können von Gelbfärbung oder Splitterhämatomen begleitet werden. Hinter einer Rotfärbung kann sich ein Morbus Bowen, ein Basalzellkarzinom oder ein malignes Melanom verbergen, sie kann jedoch auch durch gutartige Papillome, Warzen oder vaskuläre Veränderungen verursacht werden. Subunguale Glomustumoren führen zu Aufwölbungen, die bei Druck und Temperaturwechsel häufig schmerzhaft sind.
Besonderheiten hinsichtlich Farbe und Form können ein Indikator für zumeist chronische Erkrankungen sein. Weiße Nägel können beispielsweise auf Diabetes mellitus, Morbus Hodgkin, Leberzirrhose, Urämie, Hypoalbuminämie oder Lepra hindeuten. Im Rahmen des seltenen Yellow-Nail-Syndroms treten gelbe Nägel zusammen mit Lymphödemen, Bronchiektasen, Bronchitis oder chronischem Pleuraerguss auf. Bei Halb-und-Halbnägeln ist die proximale Nagelplattenhälfte weiß und klar von einer rot- oder braungefärbten distalen Nagelplattenhälfte abgrenzt. Dies weist auf eine Urämie etwa aufgrund einer Niereninsuffizienz hin. Halb-und-Halbnägel. ©Nickyay [CC BY-SA 4.0], Wikimedia CommonsStark gewölbte Uhrglasnägel, die oft mit verbreiterten Fingerendgliedern eingehen, sind Anzeichen einer schlechten Sauerstoffversorgung durch Herz- oder Lungenerkrankungen. Löffelförmige Eindellungen können eine Eisenmangelanämie anzeigen. Splitterhämorrhagien werden nicht nur mechanisch verursacht, sondern können auch durch Medikamente entstehen oder bei einer Vielzahl von Erkrankungen wie Kollagenosen, Vaskulitis, Diabetes mellitus, Hepatitis, HIV, Sarkoidose und Amyloidose auftreten. Auch der Alterungsprozess wirkt sich auf die Nägel aus. Bei alten Menschen kommt es häufig zu gelben, grünen, mattgrauen oder opaken Farbveränderungen. Dies ist beispielsweise auf eine beeinträchtigte Durchblutung, Veränderungen des Bindegewebes sowie vorliegende dermatologische oder systemische Erkrankungen und damit verbundene Behandlungen zurückzuführen.
Am Nagelwall lokalisierte Ekzeme jeglicher Ursache können die Nagelmatrix beeinträchtigen und zu einem welligen Wachstum der Nagelplatte führen. Bei Psoriasis kommt es sehr oft zu einer Beteiligung der Nägel, 1–5 % der Patienten weisen ausschließlich Symptome an den Nägeln auf. Typische Merkmale sind Ölflecken und Grübchen, die als „Tüpfelnägel“ in Erscheinung treten. Weiter werden Quer- und Längsrillen, Verdickungen der Nagelplatte, subunguale Hyperkeratosen oder Onycholyse beobachtet. Auch bei Lichen planus entwickeln 10–20 % der Patienten raue Nägel mit Längsstreifen, subunguale Keratosen oder ein Pterygium unguis, eine narbige Verwachsung. Der kreisrunde Haarausfall, Alopezia areata, kann ebenfalls mit Tüpfelnägeln und rauen Nägeln einhergehen.
Eine relativ häufig auftretende genetisch bedingte Störung des Nagelwachstums ist die kongenitale Großzehennageldystrophie, bei der die Wuchsrichtung des Nagels verändert ist. Dadurch kommt es zu einer austernschalenartigen Verdickung und Einwachsen des Nagels. Auch der Unguis incarnatus im Kindes- und Jugendalter, der durch eine breite Nagelplatte auf einem hypertrophen Nagelwall mit seitlichem Einwachsen charakterisiert ist, ist laut Borelli vermutlich genetisch bedingt. Bei Erwachsenen wird das Einwachsen der Nägel hingegen eher durch zu enge Schuhe, Fehlstellungen oder falsche Nagelpflege verursacht.
Eine Paronychie wird zumeist durch Staphylokokken ausgelöst, kann jedoch – vor allem bei Feuchtearbeit – auch durch Candida verursacht sein. Bei Kindern ist sie häufig eine Folge von Nuckeln oder Nagelkauen. Weitere bakterielle Infekte der Nägel werden von Pseudomonas aeruginosa (grün-braun gefärbte subunguale Infekte) oder Streptokokken (Blistering Dactylitis) hervorgerufen.
Für die Mehrzahl der Veränderungen sind Pilze, mechanische oder chemische Faktoren verantwortlich. Farb- und Formveränderungen können auf grundlegende Erkrankungen hinweisen, es lohnt sich also nicht nur für Dermatologen, hier genauer hinzusehen. Vorsicht ist bei subungualen Hämatomen unklarer Herkunft geboten, da es sich hier um maligne Erkrankungen handeln kann. Borelli meint dazu: „Insbesondere bei neu aufgetretenen Veränderungen an einzelnen Nägeln bzw. bei Destruktion des Nagels oder einem blutenden Prozess sollte eine Biopsie erwogen werden.“