„Ich sehe was, was du nicht siehst“ – so oder so ähnlich hätte der deutsche Titel einer kürzlich erschienenen Publikation in der Zeitschrift Radiology auch heißen können. Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg haben ein neues bildgebendes Verfahren entwickelt, das in Zukunft Konrollbiopsien nach auffälligen Mammografiebefunden ersparen könnte.
Hierbei handelt es sich um eine Weiterentwicklung der sogenannten diffusionsgewichteten Magnetresonanztomografie (MRT), die mit intelligenten computerbasierten Bildanalyseverfahren verbunden wurde. Was kann das neue Verfahren wirklich und wo sind seine Grenzen? DocCheck bat Prof. Dr. med. Michael Patrick Lux, sich die Publikation der Heidelberger Radiologen genauer anzuschauen und der Frage nachzugehen, ob die optimierte diffusionsgewichtete MRT-Bildaufnahmetechnik die gängige Biopsie künftig ablösen könnte. Sein Fazit erfahrt ihr im folgenden Artikel.
Seit 2017 ist Prof. Dr. med. Michael Patrick Lux Leiter des Gynäkologischen Universitäts-Krebszentrums Franken (GKF) und stellvertretender Direktor der Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen u.a. im Bereich der Gynäkologischen Onkologie (operativ und konservativ), insbesondere Therapie des Mammakarzinoms, der familiären Mamma- und Ovarialkarzinombelastung mit Erforschung der genetischen Hintergründe, der Gesundheitsökonomie, der Qualitätssicherung und der Versorgungsforschung.
Die Frage in Bezug auf die Publikation von Bickelhaupt und Kollegen, ob die optimierte diffusionsgewichtete MRT-Bildaufnahmetechnik die gängige Biopsie ablösen kann, kann zunächst mit einem klaren „Nein“ beantwortet werden. Allerdings muss man hierzu etwas differenzierter Stellung nehmen.
Die in Radiology publizierte Arbeit von Bickelhaupt und Kollegen ist eine spannende Untersuchung zur Wertigkeit der diffusionsgewichteten MRT-Untersuchung, um auffällige Befunde in der Bildgebung (BI-RADS IV und V) vor einer Biopsie weiter klassifizieren zu können. In dieser retrospektiven Analyse einer prospektiv rekrutierten Kohorte an unterschiedlichen Zentren wurden 222 Patientinnen eingeschlossen. Diese Patientinnen hatten zunächst einen suspekten Befund in einer durchgeführten Mammografie und die Indikation für eine Biopsie. Durch den Abgleich mit dem späteren histologischen Befund konnte an der untersuchten Kohorte ein falsch positiver Befund von 66 auf 20 gesenkt werden. Hierbei lagen die Spezifität bei 70% und die Sensitivität bei über 98%. Dies betraf allerdings nur Patientinnen mit einem BI-RADS IV Befund. Bei BI-RADS IV (hochgradiger Verdacht auf eine Karzinomerkrankung) konnte dieser zusätzliche Effekt nicht gesehen werden. Die konventionelle MRT-Untersuchung hatte im Vergleich eine Spezifität von 74,2% und eine Sensitivität von 91,8%. Somit konnte durch die diffusionsgewichtete MRT-Untersuchung in diesem Kollektiv die Sensitivität gesteigert werden und eine weitere Differenzierung zwischen malignen und benignen Brustläsionen vor einer durchgeführten Stanzbiopsie erreicht werden.
Eine zusätzliche Untersuchungsmethode
Die Daten sind spannend und es handelt sich um eine potentielle Möglichkeit, zukünftig gegebenenfalls die Indikation zu einer Stanzbiopsie noch differenzierter zu gestalten beziehungsweise Patientinnen eine Stanzbiopsie zu ersparen. Allerdings muss auch berücksichtig werden, dass die Patientinnen in der Untersuchung alle eine Mammografie und Mamma-Ultraschalluntersuchung im Vorfeld hatten. Somit handelt es sich bei der diffusionsgewichteten MRT-Untersuchung nicht um einen Ersatz der Mammografie oder Ultraschalluntersuchung, sondern um eine zusätzliche Untersuchungsmethode, um Befunde optimaler zu klassifizieren und eine Stanzbiopsie gezielter zu indizieren. Die gängige Biopsie kann dementsprechend nicht abgelöst, aber gegebenenfalls reduziert werden.
Weitere Studien notwendig
Der Effekt muss allerdings in weit größeren Kohorten in prospektiven Studien überprüft werden. Die Ergebnisse dieser Studien müssen abgewartet werden, bevor ein routinemäßiger klinischer Einsatz empfohlen werden kann. Grundsätzlich muss dabei auch beachtet werden, dass hierfür die Einstellungen zur Durchführung der diffusionsgewichteten MRT-Untersuchung für jedes Gerät unterschiedlich sind. Somit wäre die routinemäßige Umsetzung eine gewisse Herausforderung.
Des Weiteren bleiben aktuell noch viele Fragen offen. Diese betreffen unter anderem einen flächendeckenden Zugang, mögliche Kosten dieses Untersuchungsverfahrens und auch die Frage welche Kollektive besonders profitieren oder auch wiederrum keinen Vorteil durch die zusätzliche Untersuchung haben. Auch Fragen nach Alter beziehungsweise Brustdichte sind hier relevant. Zudem wissen wir aus mehreren Publikationen, dass die Durchführung einer MRT-Untersuchung auch zu Überdiagnosen führen kann. Diese waren in Publikationen zum Teil auch mit erhöhtem Operationsraten beziehungsweise bei Karzinomerkrankungen mit erhöhten Mastektomie-Raten assoziiert.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es sich hierbei um eine äußert spannende Publikation mit patientenrelevanten Fragestellungen handelt, aber weitere Studien abgewartet werden müssen.