Neue Technologien beeinflussen die Arbeit von Ärzten, Zahnärzten und Apothekern immens. Eine neue Studie zeigt, dass Ärzte einerseits Angst haben, ersetzbar zu werden, andererseits auch die Chancen einer digitalen Vernetzung sehen. Apotheker fürchten hohe Investitionskosten.
Fitnessarmbänder, Health Apps, die elektronische Gesundheitskarte oder die E-Medikation: Von modernen Technologien profitieren Heilberufler und Patienten gleichermaßen. Doch welche Prioritäten setzen Ärzte, Zahnärzte und Apotheker? Welche Möglichkeiten bieten die Technologien für den Praxis-Alltag? Wo lauern eventuell Risiken für den Patienten? Um Antworten zu finden, hat DocCheck Research im Auftrag der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank) 500 Health Professionals umfassend zur Digitalisierung im Gesundheitswesen befragt.
Die „360-Grad-Studie“ identifizierte innerhalb der Health IT zehn wesentliche Entwicklungspfade. Dazu gehören Diagnostik und Therapie inklusive Telemetrie genauso wie neue Formate der Fortbildung, Community-Plattformen, Wearables (z.B. Fitnessarmbänder) oder Apps mit medizinischem Bezug. Health Professionals sehen in der Digitalisierung generell eine positive Entwicklung durch Verbesserungen bei der Versorgung, durch transparentere Kommunikationswege, aber auch durch ein zeitgemäßes Datenmanagement. Datenmissbrauch, mehr Bürokratie, zu viele Informationen und hohe Kosten gelten bei ihnen als mögliche Schattenseiten. Nach der Relevanz gefragt, bewerten Kollegen berufsübergreifend Strategien zur digitalen Vernetzung (82 Prozent), Assistenzsysteme (66 Prozent) und computergestützte Anwendungen zur Diagnostik beziehungsweise Therapie (66 Prozent) als wichtigste Trends der nächsten Jahre. Rund 88 Prozent aller Interviewten erwarten, dass sich etablierte Strukturen der Gesundheitsversorgung vor allem durch die Vernetzung verändern. Und 66 Prozent sind der Meinung, dass Community-Plattformen künftig Beziehungen zu Patienten ganz entscheidend prägen.
Vom Großen, Ganzen zu den einzelnen Berufen. Ärzte sehen Chancen vor allem in Assistenzsystemen für medizinische Leistungen. Hier erwarten sie besonders starke Auswirkungen auf ihren beruflichen Alltag, auf die Arzt-Patienten-Beziehung und auf Strukturen der Gesundheitsversorgung. Gleichzeitig befürchten Mediziner, dass hohe Investitionen erforderlich sind – und dass es selten zum wirtschaftlichen Profit kommt. Im Unterschied dazu bewerten Zahnärzte personalisierte Versorgungsangebote als wichtigen Trend. Jeder dritte Kollege gab an, diese Entwicklung habe großen Einfluss auf seinen Job. Auch diese Berufsgruppe rechnet mit hohen Investitionsbedarf, sieht aber deutlich höhere Chancen, ökonomisch zu profitieren. Apotheker fokussieren sich wenig überraschend auf digitale Anwendungen zur Optimierung von Medikationen. Sie sind häufig der Meinung, dass diese Entwicklung ihre Arbeitswelt, ihre Beziehung zu den Patienten, aber auch etablierte Versorgungsstrukturen stark verändern wird. Zusätzliche Investitionen bereiten Pharmazeuten ebenfalls Kopfzerbrechen, wobei die Hoffnung auf betriebswirtschaftlichen Erfolg gering ausfällt. Darüber mag man sich nach Hermann Gröhes (CDU) Bekenntnis, apothekerliche Leistungen rund um Medikationslisten nicht zu honorieren, kaum wundern. Standesvertreter hatten handwerkliche Fehler dieser Art mehrfach kritisiert.
Auch sie kamen bei der „360-Grad-Studie“ jetzt zu Wort. Für Vertreter unterschiedlicher Heilberufe sind nicht nur die digitale Vernetzung und die computergestützte Diagnostik oder Therapie zentrale Entwicklungspfade. Hinzu kommen Monitoring, Tracking und Datensammlung im gesundheitlichen Kontext. Das mag daran liegen, dass Kammern und Verbände in etliche Health-IT-Projekte eingebunden sind, etwa in den Medikationsplan als Komponente der elektronischen Gesundheitskarte.
Nicht zuletzt gaben acht Experten aus dem Bundestag, aus Bundesministerien, aus der Wissenschaft, aus Organisationen, aus der stationären Versorgung und aus der freien Wirtschaft wichtige Impulse. Sie kamen bei strittigen Themen durchaus zu kontroversen Ergebnissen. Auf die Frage, inwieweit digitale Technologien die medizinische Versorgung bis zum Jahr 2025 revolutionieren werden, sagte Professor Dr. Axel Ekkernkamp, ärztlicher Direktor und Geschäftsführer des Unfallkrankenhauses Berlin (ukb): „Wir werden Krankheiten behandeln können, die wir bisher nicht behandeln konnten.“ Diese Meinung teilt Dr. Christian Belgardt, Präsident der Apothekerkammer Berlin, nicht: „Ich sehe keine digitale Revolution in den nächsten zehn Jahren, die bestehende Strukturen und Prozesse komplett ersetzt. Es wird immer Menschen geben, die an Menschen arbeiten.“ Professor Dr. Matthias Schönermark von der SKC Beratungsgesellschaft bewertet neue Tools als „arztunterstützend“. Sie könnten jedoch nur funktionieren, falls „die ärztlichen Grundtugenden erhalten bleiben“. Hier gibt Axel Ekkernkamp contra. Er bewertet Health IT als „arztersetzend, weil der Arzt in Relation zu seiner Leistung viel zu teuer ist“. An der Bedeutung neuer Akteure im Gesundheitswesen scheiden sich wissenschaftliche Geister ebenfalls. Matthias Schönermark: „Ich glaube, wenn die Idee die richtige ist, werden plötzlich Spieler eine marktbeherrschende Stellung einnehmen, die bisher noch gar keiner auf dem Zettel hat.“ Christian Belgardt hat seine Zweifel. Für ihn spielen Start-ups „nur dann eine wesentliche Rolle, wenn sie von der GKV oder dem Gesetzgeber massiv gesponsert werden“.
Nach diesen Einschätzungen ist die Zeit reif, um Projekte voranzubringen. Matthias Schönermark sieht alle Akteure in der Pflicht: „Es muss uns gelingen, uns vorzustellen, was alles möglich wäre – an welcher Stelle in unserem täglichen Tun ein Digitalisierungspotenzial liegt.“ Diese Einstellung scheint noch nicht bei allen Health Professionals angekommen zu sein, wie Peter Knüpper von der Bayerischen Landeszahnärztekammer zu bedenken gibt: „Ich fürchte manchmal, da ist der Berufsstand noch ein wenig zu verhalten, das müsste sehr viel offensiver diskutiert werden.“