In einem am Mittwoch in Paris vorgestellten Bericht über den Fortschritt im Kampf gegen HIV warnt die UNAIDS, dass der aktuelle Entwicklungstand nicht mit den globalen Ambitionen für das Jahr 2020 vereinbar sei. Es müssten umgehend Maßnahmen beschlossen werden, um die Ziele in den nächsten 12 Jahren noch erreichen zu können.
Die Zahl der Neuinfektionen mit HIV ist zwar in den letzten 7 Jahren von 2,2 Millionen auf 1,8 Millionen gefallen, aber das erklärte Ziel liegt bei nur noch 500.000 Neuinfektionen. Dafür muss der Prozess dringend beschleunigt werden.
Bemerkenswert ist auch, dass, während die Zahl der Neuinfektionen in Afrika seit 2010 um 30% gesunken ist, neue Problemregionen in den Vordergrund treten. In den letzten 20 Jahren hat sich in Osteuropa und Zentralasien die Zahl der Neuinfektionen verdoppelt und im mittleren Osten und Nordafrika sind die Zahlen um ein Viertel gestiegen.
Auch die Ziele in den Bereichen Todesfälle durch Aidserkrankung und Anzahl an Neupatienten, die Zugang zu einer medikamentösen Behandlung haben, können mit den aktuellen Abnahmeraten nicht rechtzeitig erreicht werden.
Die Schwächsten bleiben auf der Strecke
Tragisch ist insbesondere die Entwicklung bei Kindern: Die Neuinfektionsrate ist in den letzten 2 Jahren nur um 8% gesunken. Obwohl 80% der Schwangeren, die mit HIV leben, Zugang zu antiretroviralen Medikamenten hat, bieten sowohl die Geburt selbst, als auch das Stillen die Gefahr, sich zu infizieren.
Die sogenannten Schlüsselpopulationen, also Menschen, die besonders gefährdet sind, an HIV zu erkranken, werden häufig nicht von den Therapiemaßnahmen erreicht. Hierzu zählen insbesondere Sexarbeiter, Homo- und Transsexuelle und Gefangene, Migranten und Flüchtlinge. Die Zahlen sprechen für sich: Das Risiko, sich zu infizieren, ist für weibliche Sexarbeiter 13 mal, für Männer, die mit anderen Männern Sex haben, sogar 27 höher. Drogenkonsumenten haben ein um den Faktor 23 erhöhtes Risiko.
Auch bei HIV ist der Gender-Gap präsent: knapp 60% der Neuinfektionen mit HIV von Menschen über 15 Jahren sind weiblich. Ursache sind gewalttätige Übergriffe – häufig durch den eigenen Partner.
Doch was ist, wenn die Furcht vor Verurteilung den HIV-Erkrankten davon abhält, sich die benötigte Hilfe zu suchen? In 19 untersuchten Ländern, gaben 1/5 der Befragten an, dass ihnen medizinische Hilfe versagt wurde und sie sich aus Furcht vor Stigmatisierung und Diskriminierung nicht trauen, gesundheitliche Einrichtungen aufzusuchen.
90-90-90 – Die Traummaße der UNAIDS
Hoffnung besteht noch bei der Erreichung der 90-90-90 Ziele. Bisher kennen 75% aller HIV-Infizierten ihre Diagnose, 79% nahmen eine Therapie in Anspruch und 81% nutzen antiretrovirale Therapien zur viralen Suppression. Trotzdem ist es immer noch so, dass in Bezug auf die Diagnostik der Erkrankung die größten Disparitäten zwischen den Ländern vorliegen: In West- und Zentralafrika wissen nur 48% der Infizierten ihre tatsächliche Diagnose.
Im Bereich Tuberkulose, was immer noch das größte Risiko für Menschen mit HIV birgt, konnten Fortschritte im Bereich der Diagnose und Behandlung verzeichnet werden. 9 von 10 Menschen mit Tuberkulose, die eine HV Diagnose haben werden auch behandelt. Die Schattenseite ist aber, dass immer noch 3 von 5 Menschen, die eine HIV Therapie beginnen nicht auf Tuberkulose untersucht und resultierend nicht behandelt werden.
Geld und Innovation ebnen den Weg
Lichtblicke geben auch die zahlreichen Innovationen, die in dem Bericht behandelt werden. Kombinierte Präventivmaßnahmen aus Kondomnutzung und männlicher Beschneidungen können abnehmende Neuinfektionen mit sich bringen. Auch die emotionale und informative Unterstützung der Familien und Partner von HIV-Infizierten hat zur Aufklärung und Bereitwilligkeit des Testens beigetragen.
Notwendig ist hier allerdings auch die Steigerung der finanziellen Ressourcen. In 2017 waren 20.6 Milliarden US Dollar für die Bekämpfung von AIDS zur Verfügung gestellt worden- 8% mehr als im Vorjahr. Bisher sind aber noch keine verbindlichen Zusagen für weitere Investitionen getätigt worden und somit unwahrscheinlich, dass der Anstieg nachhaltig ist.
Originalbericht:
UNAIDS, aufgerufen am 19.07.2018, http://www.unaids.org/en/resources/presscentre/pressreleaseandstatementarchive/2018/july/miles-to-go