Über dieses Thema streiten sich noch immer die verschiedenen Parteien in der Gesundheitspolitik. Das Thema ist aktuell, kontrovers und wichtig. Schließlich kann medizinisches Hanf als natürliches Arzneimittel vielfältig eingesetzt werden und die gesundheitliche Wirkung ist unumstritten. Aber wie sieht es momentan in der Praxis aus – was ist einfacher geworden und wo gibt es noch Hürden?
Seit Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes am 10. März 2017 ist der legale Erwerb von Cannabis-Blüten zur medizinischen Anwendung in deutschen Apotheken beachtlich gestiegen.
Mussten Patienten für eine Cannabis-basierte Therapie bis dato eine Erlaubnis vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (kurz BfArM) anfragen, können Rezepte für Cannabis-Blüten und -Zubereitungen nun von Ärzten, unabhängig ihrer Fachrichtung, angeordnet werden. Ausgeschlossen von der Verordnung sind hierbei lediglich Ärzte der Zahn- und Tiermedizin.
Cannabis spielt bereits seit vielen Jahren eine gesonderte Rolle in der Medizin, da es nachweislich entzündungshemmend wirken und bestimmte Krankheits-Symptome lindern soll. Einsatz finden Cannabis-Blüten bislang in der Schmerztherapie und in der Behandlung von Patienten mit Multipler Sklerose, Krebserkrankungen, chronisch entzündlichen Erkrankungen oder Demenz.
Meinungen und Kritik aus dem Gesundheitssystem
Während viele Patienten von der neuen Arzneimittelregelung profitieren, gehen die Meinungen der verschiedenen Gesundheitsdienstleister auseinander:
Krankenkasse:
Übernommen werden die Kosten der Cannabis-Therapie von den gesetzlichen Krankenkassen. Dennoch lehnen diese trotz schwerwiegender Erkrankung die Therapieanträge von Patienten vermehrt ab, obwohl keine alternative medizinische Behandlungsoption gegeben ist.
So wurde im Jahr 2017 beinahe jeder zweite Kassenantrag zum Erhalt von cannabishaltigen Arzneimitteln abgelehnt. Dies geht aus dem Bericht zur Versorgungssituation mit Cannabisarzneimitteln des GKV-Spitzenverbandes an das Bundesministerium für Gesundheit vom 29. September 2017 hervor.
Apotheker:
Obwohl die Kostenübernahme seitens der Krankenkassen also immer noch nicht reibungslos funktioniert, bahnen sich bereits weitere Hürden im Erwerb von Medizinalhanf an. Das Problem von Lieferengpässen und fehlender Infrastruktur von vertreibenden Apotheken in Großstädten ist längst nicht behoben. Gegenwärtig wird der medizinische Bedarf an Cannabis durch teure Importe aus den Niederlanden und Kanada gedeckt, da das Gesetz den Anbau von Cannabis in Deutschland verbietet.
Nach Angaben des BfArM wurden im vergangenen Jahr Ausschreibungen zu „Anbau, Weiterverarbeitung, Lagerung, Verpackung und Lieferung von Cannabis zu medizinischen Zwecken“ gestartet. Ziel sei jedoch langfristig die europaweite Bereitstellung von insgesamt 6.600 Kilo Cannabis bis zum Jahr 2022. Dadurch könnte man auch auf eine Preissenkung erreichen.
Ärzte:
Apotheker müssen zusätzlich zu den Lieferschwierigkeiten und hohen Marktpreisschwankungen bei Cannabis-Blüten auch mit dem Vorwurf von vielen Ärzten, sich an dem Handel zu profilieren, kämpfen.
Auch der GKV-Spitzenverband hält die Preisbildung für die Abgabe von Cannabis-Blüten für unzureichend begründet. Ihrer Ansicht nach sollten cannabishaltige Arzneimittel nicht wie bisher als Rezepturarzneimittel, sondern als Fertigarzneimittel eingestuft werden.
Warum sind die Preise momentan noch so hoch?
Neben den teuren Importkosten treibt der prozessbedingte Aufwand für Apotheker die Kosten in die Höhe. Deutsche Apotheker sind derzeit dazu verpflichtet, importierte medizinische Cannabis-Blüten auf ihren Packungsinhalt zu prüfen und eingehend zu analysieren, ob es sich nicht um verschnittene Handelsware handelt.
Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer, spricht von einer „unschönen Situation“und fordert seit langem eine Befreiung der Apotheker von der Prüfpflicht. Seiner Aussage nach würde der medizinische Cannabis bereits in den Herkunftsländern durch strenge staatliche Kontrollen geprüft werden und mache so eine erneute Prüfung durch Apotheker in Deutschland hinfällig.
Die Befreiung von der Prüfpflicht hätte ausschlaggebende Auswirkungen auf die zukünftige Preisgestaltung von medizinischem Cannabis in Deutschland.
Gut ein Jahr nach Inkrafttreten des Cannabis-Gesetzes sind die Fronten zwischen Politik, Krankenkassen und Apothekerverbänden weiterhin verhärtet. Hoffnung sieht der GKV-Spitzenverband in der bundesweit angelegten Begleitstudie, die in den kommenden fünf Jahren die Wirksamkeit der Cannabis-Therapie fundiert aufzeigen und damit auch eine bessere Argumentationslinie ermöglichen soll.
Quellen: