Nach einer Warnung vor schweren Gewittern musste der Veranstalter „Rock am Ring“ vorzeitig abbrechen. Zuvor waren etliche Besucher durch Blitzeinschläge verletzt worden. Die Naturgewalt hat komplexe Verletzungsmuster zur Folge.
Für Musikbegeisterte ist Mendig kein unbekannter Ort: „Rock am Ring“ lockt tausende Menschen in den Landkreis Mayen-Koblenz, Rheinland-Pfalz. Bereits 2015 wurden durch Blitze 30 Personen, teils Mitarbeiter, teils Besucher, in Mitleidenschaft gezogen. Jetzt kam es erneut zur Katastrophe. Ein Blitzeinschlag verletzte 15 Personen schwer und 57 weitere leicht. Zwei Patienten mussten wiederbelebt werden.
Bei einem Blitzschlag wirken bis zu 100 Millionen Volt und mehrere 10.000 Ampere innerhalb von 0,02 Sekunden auf den menschlichen Körper ein. Ärzte beobachten Verbrennungen, aber auch Folgen für Gehirn, Rückenmark, für das Herz und für innere Organe. Mitunter kommt es zum Herz-Kreislauf-Stillstand. Neben Arrhythmien sind auch Schäden am Atemzentrum problematisch, heißt es in einer Veröffentlichung. Privatdozent Dr. Fred Zack. Foto: Institut für Rechtsmedizin der Universität Rostock Wie schwer Patienten tatsächlich geschädigt werden, hängt laut Privatdozent Dr. Fred Zack vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Rostock auch von der Art der Energieübertragung ab. Durch direkte Treffer fließt der Strom vom Kopf in Richtung der Füße. Viele Betroffene versterben. Beim Kontakteffekt schlägt der Blitz in ein Objekt, beispielsweise einen Regenschirm, mit direktem Kontakt zum Körper. Daneben nennt Zack den Überschlagseffekt, sprich Treffer in einen Baum und dann weiter zu Menschen in der Nähe. Bei der Schrittspannung fließt Strom über ein Bein in den Körper und über das andere wieder hinaus. Und nicht zuletzt ist der leitervermittelten Blitzeffekt durch Telefonkabel oder Stromleitungen beschrieben worden. Hinzu kommen Knalltraumata, Verletzungen durch umherfliegende Gegenstände oder durch Feuer.
Kopfzerbrechen bereitet die Frage, wie viele Menschen tatsächlich durch einen Blitzschlag ums Leben kommen. Fred Zack fand in der Literatur stark abweichende Angaben von zehn bis 90 Prozent. Gemeinsam mit einer Doktorandin hat er statistische Angaben überprüft. Lediglich 25 Prozent aller Opfer sterben durch oder kurz nach einem Blitzschlag, lautet seine Erkenntnis. Für Überlebende gibt es kein zentrales Register. Auch die Versorgung selbst weist Defizite auf: Patienten klagen Monate später oft über neurologische oder psychische Probleme. In den USA hat sich deshalb sogar eine spezielle Patientenorganisation formiert.