„Die offiziellen Pflegenoten sind Augenwischerei“, berichten Reporter des Recherchenetzwerks Correctiv. Sie kritisieren schlechte Leistungen vieler Heime, unter anderem bei der Versorgung mit Pharmaka. Jetzt ist die Zeit reif für neue Konzepte.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ist unter Druck geraten. Der vor sieben Jahren eingeführte Pflege-TÜV gilt bei Experten als gescheitert. „Nötig ist ein Neustart, keine Behelfslösung“, sagt der Christdemokrat. Gleichzeitig warnt er vor halbherzigen Lösungen: „Mit einem neu aufgelegten Pflege-TÜV, der am nächsten Tag wieder wissenschaftlich infrage gestellt wird, ist niemandem geholfen. Das wäre wieder nur alter Wein in neuen Schläuchen.“ Was ist passiert?
Stein des Anstoßes war die Weisse Liste. Im Portal werden nicht nur Ärzte und Kliniken, sondern auch Pflegeeinrichtungen beurteilt. Zwar greifen Forscher auf Daten des alten Pflege-TÜVs zurück. Allerdings geht es rein um die pflegerische Qualität – mit fatalem Ergebnis. Schlechte Leistungen medizinischer Art lassen sich nicht durch Banalitäten wie groß gedruckte Speisekarten kompensieren. Während heimische Pflegeeinrichtungen aus genau diesem Grund beim normalen Pflege-TÜV mit der Note 1,3 gut wegkamen, zeigt die Weisse Liste eklatante Defizite auf. Lediglich elf Prozent aller Heime und 29 Prozent aller Pflegedienste erfüllten die Kriterien vollständig. Besonders schlecht schnitten zwei Prozent der Pflegeheime und vier Prozent der Pflegedienste ab. Klassische Pflegenoten: kein Qualitätskriterium. Quelle: www.pflegedatenbank.com
Auch das Recherchenetzwerk Correctiv hat Pflegeheime gründlich unter die Lupe genommen. Als zentrale Bereiche identifizierten Journalisten die ausreichende Versorgung mit Nahrung und Flüssigkeit, den Umgang mit Schmerzpatienten, das Thema Inkontinenz, die Versorgung von Wunden und die Gabe von Medikamenten. Rund 60 Prozent aller Einrichtungen fallen in einem oder in mehreren Bereichen negativ auf. Mehr als 50 Prozent der Heime versorgen ihre Bewohner nicht korrekt mit Medikamenten, und mehr als 30 Prozent nicht vorschriftsmäßig mit Nahrung beziehungsweise Flüssigkeit. Hohe Kosten korrelierten nicht zwangsläufig mit besseren Leistungen.
Detailanalysen sind Gröhe aber zu wenig: „Die vorliegenden Daten aus den Pflegeeinrichtungen sind nicht ausreichend.“ Er fordert von Kassen und Heimbetreibern, sich bis 2018 auf ein neues Bewertungsmodell zu verständigen. Wer zu diesem Zeitpunkt das Bundesgesundheitsministerium leiten wird, ist eine andere Frage.