Eine 66-jährige Patientin leidet unter Schmerzen im künstlichen Hüftgelenk. Die Prothese hat sie seit 15 Jahren, bis vor Kurzem aber keinerlei Beschwerden. Es vergehen Monate, bis die Ärzte die Ursache für ihre Schmerzen finden. Diese wohnt seit Jahren bei ihr zu Hause.
Eine 66-jährige Frau klagt beim Arzt über Schmerzen im rechten Hüftgelenk. Die Schmerzen rühren von keinem Trauma her, zudem hat sie keine nennenswerten Vorerkrankungen. Zwar wurde ihr Hüftgelenk vor 15 Jahren aufgrund massiven Verschleißes gegen eine Prothese ausgetauscht. Seitdem sei sie aber beschwerdefrei und sportlich aktiv – ihr Hund halte sie in Bewegung. Die körperliche Untersuchung ist unauffällig, doch in ihrem Blut zeigen sich erhöhte Entzündungswerte.
Biopsie bringt Klarheit
Als ein Orthopäde vier Monate nach Symptombeginn ein Röntgenbild der Hüfte anfertigt, bestätigt sich der Verdacht einer Infektion des künstlichen Hüftgelenks. Dass dies so viele Jahre nach der Operation auftritt, verwundert die Ärzte. Sie nehmen eine Biopsie vor. Aus den Proben kann das erste Labor zwar einen Erreger heranzüchten, diesen jedoch nicht weiter identifizieren. Neue Proben werden an ein weiteres Labor geschickt, das schließlich – wohlgemerkt 14 Monate nach Symptombeginn – einen ungewöhnlichen Fund macht.
Bei dem Erreger handelt es sich um Capnocytophaga canimorsus – eine Bakterienart, welche gewöhnlich im Maul von Hunden oder Katzen zu finden ist. Auf gezielte Nachfrage erinnert sich die Patientin, von ihrem Hund ungefähr neun Monate vor Beginn der Schmerzen an der Hand gekratzt worden zu sein. Der Kratzer sei nichts Besonderes gewesen, bloß etwas schlechter abgeheilt als gewöhnlich.
Ein Erreger auf Abwegen
In ihrem Bericht vermuten die Ärzte, der Hund habe den Erreger durch Ablecken der Pfoten auf selbige übertragen. Beim Kratzen seines Frauchens seien die Bakterien dann in die Wunde und über den Blutweg an das Hüftgelenk gelangt. Dass sich die Infektion mit einer derartigen Latenz zeige, sei genauso ungewöhnlich wie ihre Lokalisation. Häufiger seien Entzündungen an Mund, Hals oder Augen.
Für die Patientin geht es nach dem Fund endlich bergauf. Die Prothese wird ausgetauscht und die Infektion antibiotisch therapiert. Ein Jahr später ist sie beschwerdefrei. Auch wenn die Abschaffung von Haustieren wie Hund oder Katze den einzigen Schutz vor derartigen Infektionen darstellt, sieht die Patientin davon entschieden ab. Das Leben mit ihrem Hund sei ihr das Risiko allemal wert.
Quelle:
‘Barely a scratch’: Capnocytophaga canimorsus causing prosthetic hip joint infection following a dog scratch; I Hettiarachchi et al., BMJ Case Reports, doi:10.1136/bcr-2017-221185
Artikel von Maren Böcker