Im Gefängnis verletzt sich ein junger Häftling am Handgelenk. In der Notaufnahme erzählt er, die Verletzung habe er sich bei einem Sturz am Vortag zugezogen. Die Anamnese zum Unfallhergang erscheint den Ärzten allerdings fragwürdig. Als er in der Röntgenabteilung mit einer Pflegekraft unter vier Augen reden kann, vertraut er ihr sein tatsächliches Problem an:
Der 20-Jährige habe vier Tage zuvor acht Gramm Kokain geschluckt, als im Gefängnis seine Zelle durchsucht wurde. Verpackt seien die Drogen in zwei Plastiktütchen und zusätzlich in einem Kondom verknotet. Da er das Päckchen bisher nicht ausgeschieden habe und seit Stunden unter Bauchschmerzen leide, habe er sich das Handgelenk verletzt, um ins Krankenhaus gebracht zu werden. Die eingehende Untersuchungen des Abdomens und die Vitalparameter bleiben weiter unauffällig.
Das CT-Bild alarmiert die Ärzte
In Magen und Dünndarm ist eine Großzahl an Fremdkörpern zu sehen, deren Dichte mit der von lose verpackten Drogen übereinstimmt (siehe Bild). Die Ärzte konfrontieren den Patienten, doch der beteuert, es handle sich um ein einziges Paket. Weiteres Nachhaken bringt schließlich Klarheit:
Von seinen Mithäftlingen hatte der Patient zahlreiche Tipps zur Beschleunigung seiner Verdauung erhalten. Er habe daraufhin große Mengen Wasser sowie Olivenöl getrunken und warme Handtücher „auf seine Leber“ gelegt. Als all dies keine Wirkung zeigte, schluckte er an Tag 3 eine große Anzahl ungekauter Apfelstücke herunter – in der Hoffnung, diese würden das Paket durch den Gastrointestinaltrakt schieben.
Einen Tag später bestätigen erneute CT-Aufnahmen diese Erklärung: die Stücke sind teilweise verdaut, sodass das im Magen liegende Päckchen identifiziert werden kann. Luftblasen in den geschluckten Tüten hatten es auf dem Wasser schwimmen lassen und so die weitere Passage durch den GI-Trakt verhindert.
Weil das Kondom bereits fünf Tage lang der Magensäure ausgesetzt war, entschließen sich die Ärzte zur laparoskopischen Entfernung des Pakets. Der Eingriff verläuft ohne Komplikation und der Patient kann nach einigen Tagen zurück in die Haft entlassen werden.
Besondere Vorsicht bei „Body-Stuffern“
Abschließend warnen die behandelnden Ärzte in ihrem Bericht vor einem zu sorglosen Umgang mit „Body-Stuffern“. Der Begriff bezeichnet Menschen, die häufig an unterster Stelle einer Drogenhandelskette stehen und Drogen überstürzt verschlucken, um nicht erwischt zu werden. Sie sind abzugrenzen von „Body-Packern“, die für den Schmuggel von Drogen in der Regel weitaus größere Mengen schlucken, die Pakete hingegen jedoch meist vakuumiert und sicherer verpackt sind.
Die Ärzte kritisieren die gängigste Empfehlung zur Behandlung von „Body-Stuffern“. Eine Publikation empfehle, „Body-Stuffer“ ab dem Moment des Verschluckens sechs Stunden lang zu beobachten und anschließend zu entlassen, wenn sie keine auffälligen Symptome zeigen. Dies erachten die Ärzte dieses Patientens jedoch als nachlässig und mahnen zu verstärkter Wachsamkeit – sowohl bei der Anamnese als auch bei der Beurteilung bildgebender Verfahren.