Viele Ovarialkarzinom-Patientinnen sterben innerhalb von zwei Jahren nach der Diagnose. Der Grund: Tumore werden zu spät erkannt. Das könnte sich bald ändern. Forscher haben einen prognostischen Krebszellmarker entdeckt, der die Entwicklung gezielterer Therapien ermöglicht.
Nur eine von sechs Patientinnen mit Ovarialkarzinom überlebt länger als 10 Jahre, während die Mehrheit der Patientinnen innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Diagnose verstirbt. Eine der Hauptursachen hierfür ist das späte Erkennen der Erkrankung, denn dies geschieht meist erst dann, wenn der unbemerkt gewachsene Ausgangstumor von den Eierstöcken in umliegende Organe gestreut hat. Standardmäßig wird der Krebs dann so gut wie möglich operativ entfernt und mit einer platinbasierten Chemotherapie behandelt.
„Dies führt zwar bei der Mehrzahl der Patientinnen zu einer sofortigen Besserung, jedoch sind die therapeutischen Wirkungen der Therapie nur selten dauerhaft“, erklärt Prof. Ernst Lengyel von der Universität Chicago. Er ist einer der weltweit führenden gynäkologischen Onkologen. Mit mehr als 42.000 Todesfällen pro Jahr ist das Ovarialkarzinom die schwerwiegendste gynäkologische Erkrankung in Europa.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts (MPI) für Biochemie in Martinsried bei München, haben nun gemeinsam mit Forschern aus Chicago und Kopenhagen die molekularen Grundlagen für das Langzeitüberleben von Patienten untersucht. „Erst wenn wir die molekularen Ursachen und die Unterschiede zwischen Patientinnen, die gut oder schlecht auf die Therapie reagieren, verstehen, werden wir die Behandlung von Eierstockkrebs in der Klinik verbessern und auch den Weg für personalisiertere Behandlungsoptionen in der Zukunft ebnen“, erklärt Lengyel, welcher die Studie, gemeinsam mit Prof. Matthias Mann, initiiert hat.
„Mit der Massenspektrometrie können wir zum ersten Mal fast alle Proteine – das Proteom – im Tumorgewebe der Patienten identifizieren“, erläutert Mann. „Unsere hochsensitiven Methoden ermöglichen es nun, Tausende von Proteinen gleichzeitig zu analysieren und anhand der Gewebeproben nach den für die Krankheit kritischen Proteinen zu suchen.“
Für Ihre Analyse nutzten die Forscher von Prof. Lengyel und seinem Team archiviertes und über viele Jahre gesammeltes Biobankmaterial der Universität Chicago, das meist aus der Erstoperation der Patientinnen stammt. „Auf diese Weise können wir in gewisser Weise in die Vergangenheit zurückblicken, da wir genau wissen, wie die Patientin auf eine Chemotherapie reagiert hat“, sagt Dr. Fabian Coscia, Erstautor der Studie.
Mithilfe der massenspektroskopischen Analyse entdeckten die Forscher ein weitestgehend unbekanntes Protein namens CT45, das bei Langzeitüberlebenden stark erhöht war. Anschließende Tests im Labor haben den CT45-Befund bestätigt. Wurde das Protein Tumorzellen ohne CT45 zugeführt, starben die Zellen deutlich schneller in der Chemotherapie.
Aber warum produziert der Krebs das Protein CT45, wenn es nach der Chemotherapie das eigene Abtöten fördert? „Die einfache Antwort darauf ist, dass der Krebs das noch nicht weiß, dass er mit einer platinbasierten Chemotherapie behandelt wird“, erklärt Coscia. „Die Proben, die wir mit Proteomik analysiert hatten, wurden vor der Chemotherapie entnommen. Eine Anpassung des Tumors an die Behandlung hat also noch nicht stattgefunden. Eine ähnliche Beobachtung machten wir in Laboruntersuchungen mit isolierten Krebszellen.“
Sobald eine Zelle zur Krebszelle wird, geht die sogenannte Methylierung verloren und Proteine wie CT45 werden produziert. Aktuell gibt es erste Medikamente in klinischen Studien, die genau diese demethylierenden Eigenschaften haben. Unsere Experimente in der Zellkultur weisen darauf hin, dass durch diese sogenannten DNA-demethylierenden Arzneimittel die Wirksamkeit der Chemotherapie verbessert werden kann. „Wir vermuten, dass CT45 hierbei eine tragende Rolle einnimmt, da es nach der Gabe des Arzneimittels zu den am stärksten gebildeten Proteinen im Tumor gehört. Das gibt uns Hoffnung, dass Patientinnen, die das Protein nicht im Tumor haben, immer noch von einer Kombinationschemotherapie profitieren könnten“, sagt Dr. Marion Curtis, Postdoktorandin im Lengyel-Labor und Autorin der Studie.
Die Forscher haben große Fortschritte beim Verständnis der CT45-Funktion gemacht. Dies gibt Hoffnung für die Entwicklung neuer und gezielterer Therapieansätze. „Wir haben Hinweise, dass die tumorspezifische Expression von CT45 das Immunsystem des Patienten stimuliert, um den Krebs zu bekämpfen, wie es bei einem Virus oder einer bakteriell infizierten Zelle der Fall wäre. Unser langfristiges Ziel ist es, auf der Grundlage dieser spannenden neuen Erkenntnisse neue Wege zur Verbesserung der Behandlungsergebnisse zu finden“, fasst Prof. Lengyel zusammen.
Der Text basiert auf einer Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Biochemie.
Quelle:
Multi-level proteomics identifies CT45 as a chemosensitivity mediator and immunotherapy target in ovarian cancer Fabian Coscia et al.; Cell, doi: 10.1016/j.cell.2018.08.065; 2018