Sicher wie die Pille soll die Verhütungs-App „Natural Cycles“ sein, die auf der Temperaturmethode basiert und aktuell für Kontroversen sorgt. Von der FDA gab es kürzlich grünes Licht, Gynäkologen aus Deutschland warnen vor „schwerwiegenden Mängeln“ bei den Zulassungsstudien.
Orale Kontrazeptiva, Vaginalringe, Hormonspiralen oder Dreimonatsspritzen sind mit einem Pearl-Index von 0,1 bis 2,0 relativ sicher. Der Wert gibt an, wie viele Frauen trotz Verwendung einer Verhütungsmethode innerhalb von zwölf Monaten schwanger werden. Deutlich unsicherer nach Pearl-Index sind nichthormonelle Methoden wie die folgenden:
Jetzt soll „Natural Cycles“, eine Smartphone-App, das Spektrum nichthormoneller Methoden bereichern. Sie wendet sich auch an Frauen aus Deutschland. Bereits Anfang des Jahres hatte die Verhütungs-App für Aufsehen gesorgt, als von 37 Frauen aus Schweden berichtet wurde, die trotz Benutzung der App schwanger wurden. Auch DocCheck berichtete. In Medien hat „Natural Cycles“ trotzdem auch positive Resonanzen erzielt. Das Technik-Magazin „Wired“ geht sogar so weit, die App hinsichtlich ihrer Sicherheit mit der „Pille“ zu vergleichen. Deutsche Gynäkologen schließen sich der Euphorie nicht an. Was steckt dahinter?
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Gemäß Hersteller-Datenblatt arbeitet „Natural Cycles“ mit der Temperaturmethode, ein smartes Thermometer erhalten Anwenderinnen ebenfalls. Geben sie fünfmal oder öfter pro Woche Temperaturdaten ein, können sie nach drei Monaten an 60 Prozent aller Tage auf Kondome beim Partner verzichten.
In zulassungsrelevanten klinischen Studien wurden FDA-Angaben zufolge 15.570 Frauen befragt. Sie hatten die App durchschnittlich acht Monate lang verwendet. Bei „perfekter Nutzung“ im Sinne der Hersteller-Gebrauchsinformation lag die Misserfolgsrate bei 1,8 Prozent. Das heißt, bei zwölfmonatiger Anwendung wurden 1,8 von 100 Frauen schwanger, ohne dass sie erkennbar etwas falsch gemacht hatten. Als typische Fehlerrate nennt die FDA 6,5 Prozent. Sie hat daraufhin ihre Zulassung ausgesprochen. Eine CE-Kennzeichnung für die EU liegt ebenfalls vor.
Der Berufsverband der Frauenärzte warnt Patientinnen eindringlich, die App als vermeintlich sichere Verhütungsmethode zu sehen. „Die Berechnungen der App, fruchtbare und unfruchtbare Tage zu unterscheiden, sind unzuverlässig“, heißt es in einer Meldung. Bisher veröffentlichte Studien hätten „schwerwiegende Mängel“. Der Verband erklärt: „So wurden nach unserer Kenntnis immer wieder Frauen, die während der Verwendung der App schwanger geworden sind, von der Auswertung ausgeschlossen.“ Auf diese Weise habe man eine sehr niedrige Schwangerschaftsrate herbeigerechnet. Und das trotz US-Zulassung? „Die FDA hat diese Studien keiner Prüfung unterzogen, sondern sie als gegeben akzeptiert; sie hat nicht überprüft, auf welche Weise die App fruchtbare und unfruchtbare Tage unterscheidet.“