Schweine weisen eine vielfältige Nutzung auf. Sie werden einerseits zur Fleischerzeugung, andererseits als Hobbytier und sogar als Haustier gehalten. Sie weisen einen der Rasse entsprechenden starken Charakter auf, der besondere Anforderungen an den Menschen stellt. Demzufolge benötigt es Grundkenntnisse, damit ein Zusammenleben zwischen Schwein und Mensch reibungslos funktioniert.
Tiere benötigen eine sichere, orientierte, bestimmende und v.a. der Tierart entsprechende Behandlung. Darunter versteht man einerseits das Handling (Handhabung) des einzelnen Tieres, andererseits auch die notwendigen Zwangsmaßnahmen, um sowohl Mensch als auch Tier vor Verletzungen zu schützen.
Im vierten Beitrag dieser Blogreihe "Handhabung und Zwangsmaßnahmen bei Haustieren" wird das Schwein in den Fokus genommen.
Herantreten
Um Sauen oder schwerere Mastschweine untersuchen zu können, muss im Vorhinein ein intensiver Kontakt zwischen Tier und Mensch hergestellt werden. Dazu scheuert man die Tiere am Rücken (mit einer Bürste oder kurzem Stock) oder man massiert bei Sauen kräftig das Gesäuge. Bei hochträchtigen bzw. laktierenden Sauen führt eine solche Gesäugemassage schnell zur Beruhigung, sodass sie sich in der Regel freiwillig hinlegen.
Möchte man jüngere Schweine (Saugferken, Absetzferkel, Läufer) untersuchen, sollten diese am besten zu zweit in eine kleine Schweinekiste verbracht werden. Dort sind sie in der Regel für die klinische Untersuchung gut zugänglich, wobei sie auch nicht schreien (typisches Ferkelschreien).
Grundsätzlich kann behauptet werden, dass Schweine im Allgemeinen gutmütige Tiere sind. Vorsicht geboten ist jedoch bei Sprungebern und Sauen, die in Gegenwart ihrer Ferkel sind (Mutterinstinkt).
Zwangsmaßnahmen
Muss der Untersucher die Eber- oder Muttersauen-Box betreten, sollte dieser unbedingt ein Schutzinstrument mit sich führen. Dazu eignen sich z.B. sogenannte Schutzbretter oder gar Besen (nur bei der Sau). Bei Schutzbrettern konnte man den Vorteil beobachten, dass sich die Tiere in ein Ecke treiben lassen und sich dort ruhig verhalten.
Ist kein Schutzbrett oder sonstiges Hilfsmittel zur Hand, können die Tiere auch mit einer Hand am Schwanz festgehalten werden, wobei man mit der anderen Hand eine Hanf- oder Drahtschlinge (Oberkieferschlinge) über den Rüssel bis hinter die Hauer (Eckzähne) schiebt.
Hierbei gilt der Grundsatz, dass, solange ein Eber oder eine bösartige Muttersau am Schwanz gehalten wird, diese nicht schlagen oder beißen können. Geriet die Situation dennoch aus der Kontrolle, stellen sich meistens die Eber zum Kampf, wobei er mit den Hauern seitlich von unten herauf auf den Feind zuschlägt. Dabei ist der Eber in der Lage, eine beträchtliche Geschwindigkeit und Geschicklichkeit zu entwickeln, die zusammen mit seinem enormen Aktionsradius eine große Gefahr für Mensch und Tier darstellen kann. Im Gegensatz dazu schlagen Ferkel führende Muttersauen nicht, sondern sie stürmen mit offenem Maul auf den Feind zu, wobei sie enorme Beißkräfte aufweisen können.
Können solche Tiere nicht am Schwanz gefasst werden, sollten sie mit einem sogenannten Catcher (Oberkieferschlinge mit einem Führungsrohr) fixiert werden. Solche Catcher haben zum Vorteil, dass die fixierten Tiere nicht nachdrängen können.
Sedierung
Spezielle Untersuchungen (z.B. Röntgenaufnahmen) verlangen eine Vollnarkose der Tiere. In der Praxis wird bei Schweinen eine Kombination aus zwei Wirkstoffen verwendet:
Werden beide Präparate als Mischspritze i.v. appliziert, tritt die Wirkung dementsprechend schneller ein.
Eine Fexierung ohne Sedierung mittels Spezialeinrichtung (OP-Tisch, Zwangsstände zur Klauenbehandlung, usw.) ist nicht nur bei Fleischrassen, sondern bei sämtlichen anderen Schweinerassen mit einem großen Risiko verbunden (Belastungsmyopathie).
(Literatur: Baumgartner, Walter, ed. Klinische Propädeutik der Haus- und Heimtiere. Georg Thieme Verlag, 2009.)