Das Pferd, ein stets edel und mächtig erscheinendes Tier, setzt genau definierte Anforderungen an den Menschen. Dies gilt nicht nur für die Haltungsbedingungen, sondern auch im Umgang mit dem Tier selbst. Um die Zusammenarbeit zwischen Tier und Mensch zu fördern, sollten Tiermediziner Grundkenntnisse über die besonderen Anforderungen der Pferde besitzen.
Tiere benötigen eine sichere, orientierte, bestimmende und v.a. der Tierart entsprechende Behandlung. Darunter versteht man einerseits das Handling (Handhabung) des einzelnen Tieres, andererseits auch die notwendigen Zwangsmaßnahmen, um sowohl Mensch als auch Tier vor Verletzungen zu schützen.
Im ersten Beitrag dieser Blogreihe "Handhabung und Zwangsmaßnahmen bei Haustieren" wird das Pferd in den Fokus genommen.
Herantreten
Bevor man an ein Pferd herantreten möchte, sollte dieses immer angesprochen werden. Dies gilt sowohl für den Tierbesitzer, als auch für den behandelnden Arzt. Dabei sollte beim Herantreten und Ansprechen das Tier stets genau beobachtet werden, um anhand der reflektierenden Körpersprache das Gemüt einschätzen zu können. Bei Pferden achtet man daher in erster Linie auf das Ohrenspiel (Zurücklegen der Ohren) bzw. auf die hintere Körperhälfte (Zuwenden des Hinterteiles, Scharren, Ausschlagversuche).
Gleichzeitig ist es wichtig, dass das Pferd richtig gezäumt oder zumindest mit einem Halfter versehen ist und dabei von einem pferdeerfahrenen Helfer gehalten wird. Eine Halfterfixierung ist jedoch nur in geschlossenen Räumen oder Höfen vertretbar, da sonst die Gefahr besteht, dass das Tier sich aufschreckt und flieht. Ist das Pferd vorne anghängt (am Halfter) und man möchte es zum Seitwärtsbewegen bringen, kann dies durch Anrufen erfolgen, wobei man sich im Anschluss dem Tier annähert und am Halfter hält. Außerdem ist es ratsam, sich im Bereich der Extremitäten immer nur von der Seite zu nähern, da das Pferd in diese Richtung nur schwer bzw. mit großer Mühe ausschlagen kann.
Für Außenstehende, Laien und pferdefremde Personen mag dies meist rüpelhaft und tierwidrig erscheinen, jedoch sollte das Herangehen und Berühren eines Pferdes nie zaghaft erfolgen, sondern kraftvoll. Hierbei muss man sich klar machen, dass Pferde ein Vielfaches an Körpergewicht aufweisen, als Kleintiere (z.B. Hunde und Katzen). Damit ein Pferd erst auf Berührungen reagiert, müssen diese dementsprechend mit mehr Kraft angewendet werden.
Bei unruhigen Tieren empfiehlt es sich stets durch gutes, sanftes aber bestimmendes Zureden (mit kräftiger und sicherer Stimme) oder Abklopfen das Tier zu besänftigen.
Zwangsmaßnahmen
Als einfachste Zwangsmaßnahme beim Pferd gilt das Aufheben eines Fußes. Hierzu lässt man sich (von einem Helfer) den Vorderfuß aufheben, an dessen Seite man untersucht. Es gibt vereinzelt bestimmte Untersuchungen an Hinterextremitäten, wo auch diese abwechselnd aufgehoben werden.
Eine weitere Maßnahme zum Ruhigstellen eines Pferdes ist die Bremse. Diese wird von einem Holzstab mit einer Schlinge aus einer festen, nicht zu dünnen Schnur, gebildet. Dabei wird die Schlinge um die Lippe (meistens Oberlippe) gelegt und durch Drehen angezogen. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die Schlinge einerseits nicht zu locker, andererseits nicht zu fest sitzt. Der durch die Bremse erzeugte Schmerzreiz (bzw. freigesetzte Hormone) lenkt die Aufmerksamkeit des Pferdes von der Untersuchung ab. Außerdem zeigten Untersuchungen, dass beim Anlegen einer Bremse eine Erhöhung des Endorphinspiegels nachgewiesen werden konnte, die gleichzeitig zu einer Schmerzlinderung führt. Dennoch empfielt es sich, die Bremse aus Tierschutzgründen nur dann einzusetzen, wenn es unbedingt notwendig ist.
Weiterführende Untersuchungen und kleine operative Eingriffe sind nach Sedierung bzw. Lokalanästesie in vielen Fällen nur in einem Zwangsstand möglich (z.B. Zahnbehandlung).
Fixieren von Fohlen
Fohlen, die noch von der Mutter gesäugt werden (sog. Saugfohlen), werden stets in der Gegenwart ihrer Mütter untersucht. Dabei werden sie von einem Helfer so gehalten, dass eine Hand vor der Brustbeinspitze zum liegen kommt und die zweite Hand auf dem Sitzbeinhöcker abgelegt wird, sodass das Tier fixiert werden kann.
Beschäftigt man sich mit widerspenstigen, unruhigen oder älteren Fohlen, so besteht die Möglichkeit der Fixierung, indem der Schweif an der Schweifwurzel mit einer Hand umfasst und nach oben gedrückt wird (Schweifbremse). Dabei wird der Hals mit der zweiten Hand umfasst, wobei das Fohlen in den meisten Fällen gut fixiert ist, um weiter untersucht werden zu können.
Sedierung
Besteht die Notwendigkeit, ein Pferd zu sedieren, können folgende Wirkstoffe zur Hand genommen werden:
Auftreiben bzw. Aufheben
Findet man das zu untersuchende Tier liegend vor, so kann dieses durch Anrufen und/oder sanfte Gertenschläge zum Stehen gebracht werden. Dabei ist zu berücksichtigen ob der Untersuchungsgrund auch ein problemloses Aufstehen zulässt.
Einem Pferd, das sich offensichtlich schwer tut, aufzustehen, kann durch Ausstrecken der Vordergliedmaßen und gleichzeitigem Unterstützen durch Halten des Kopfes und Schweifes assistiert werden. Außerdem können Aufstehhilfsmittel wie etwa Gurte und Netze in Kombination mit einem Kran verwendet werden, um festliegende Pferde aus der Liegeposition in eine aufrechte Lage zu befördern.
(Literatur: Baumgartner, Walter, ed. Klinische Propädeutik der Haus- und Heimtiere. Georg Thieme Verlag, 2009.)