In Krankenhäusern werden Behandlungsfehler regelmäßig erfasst, in den Praxen der niedergelassenen Ärzte noch nicht. Das soll sich ändern. Nach einem Pilotprojekt in Nürnberg startet jetzt eine deutschlandweite Studie mit 400 Arztpraxen.
Fehler passieren in Krankenhäusern genauso wie in der Arztpraxis. Mal ist eine Diagnose falsch dokumentiert, mal sind die Laborwerte vertauscht, mal hakts bei der Medikation. Auch wenn das nicht automatisch einen Schaden für den Patienten nach sich zieht (was im Schadenfalls zu tun ist, lesen Sie hier), ist jeder Fehler einer zu viel.
Praxisübergreifende Fehlerberichts- und Lernsysteme können Fehler vermeiden helfen. Mithilfe einer Datenbank, in der solche Fälle von Mitarbeitern systematisch gesammelt werden, lassen sich Verbesserungsvorschläge zur Fehlervermeidung für Ärzte und Praxismitarbeiter entwickeln. In deutschen Krankenhäusern sind solche Berichtssystems längst üblich, in den Praxen der niedergelassenen Ärzte noch nicht.
Auch in Arztpraxen soll künftig ein systematisches Fehlerberichts- und Lernsystem genutzt werden. Diese Idee steht hinter dem Projekt CIRSforte („Critical Incident Reporting System“). Es basiert auf einem Pilotversuch von 69 Haus- und Facharztpraxen in Nürnberg. Für die Neuauflage werden jetzt 400 Praxen in ganz Deutschland gesucht, die mitmachen und über ihre Erfahrungen berichten.
Zwischen 2015 und 2017 lief das CIRS-Pilotprojekt unseres Gesundheitsnetzes Qualität und Effizienz (QuE) in Nürnberg. Mit an Bord waren, wie nun bei CIRSforte, die TK, WINEG und das Institut für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Wir wollten das Projekt wissenschaftlich begleiten.
Auch im Projekt selbst haben wir aus unseren Fehlern gelernt. Jetzt wissen wir, dass wir zuallererst die Basis schaffen müssen, damit die Praxen im Alltag überhaupt voneinander lernen können. Das bedeutet:
Für beides sind vorbereitende Schulungen, Workshops und ganz viel offener Austausch im Praxisteam nötig. Wichtig ist auch, dass alle Beteiligten ein klares Rollenverständnis bei der Fehlervermeidung haben.
Unser Nürnberger Projekt hat gezeigt: Die meisten Praxen fokussierten sich nach einiger Zeit stärker auf die praxisinternen Abläufe und weniger auf die praxisübergreifende Plattform. Die Praxisteams schätzten ihre praxisinternen Fehler und Probleme als zu spezifisch ein. Das Online-Berichtssystem alleine reichte nicht aus. Noch während der Projektlaufzeit wechselten wir zu einem integrierten Ansatz mit persönlichen Ansprechpartnern und Coaches, und setzten auch auf kontinuierliche Erinnerung über Newsletter und Infomails.
Das Projekt war ein Erfolg, denn es hat ein neues, positives Bewusstsein für den Umgang mit Fehlern geschaffen. Praxisteams teilen jetzt aktiv ihre Erfahrungen aus Fehlersituationen und geben Verbesserungsvorschläge an ihre Kollegen und Vorgesetzten weiter. In unserem Ärztenetz hat das zu einer lebendigen Sicherheitskultur geführt, in der es nicht darum geht, einen Schuldigen zu finden, sondern herauszufinden, warum ein Fehler oder eine brenzlige Situation entstehen konnte. So können wir Lösungen für die Zukunft entwickeln und die Patientenversorgung wird noch sicherer.
Dr. Veit Wambach ist Hausarzt, Vorsitzender des Gesundheitsnetzes QuE und Stellvertretender Vorsitzender im NAV-Virchow-Bund. Er engagiert sich seit Jahrzehnten für Patientensicherheit, Qualität und Arztnetze. 2018 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Um mehr über Dr. Wambachs Arbeit zu erfahren, klicken Sie hier.
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