Überraschend hat heute eine Kölner Ärztin im Prozess gegen das Bewertungsportal jameda Recht bekommen: Der Bundesgerichtshof entschied, dass sie ihr Profil löschen lassen darf, weil jameda dort gegen ihren Willen bezahlte Werbung von Ärzten mit zahlungspflichtigen Premium-Accounts schaltet.
Noch 2014 urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) im Sinne jamedas, dass Patienten ein „ganz erhebliches Interesse (…) an Informationen über ärztliche Dienstleistungen“ haben, damit sie von ihrem Recht auf freie Arztwahl in vollem Umfang Gebrauch machen können (Az. VI ZR 358/13). Daten, die aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können, dürfen auf der Internetseite des Arztbewertungsportals veröffentlicht werden.
Damals ging es allerdings nur um die Frage, ob jameda ohne Wissen der Ärzte Einträge ihrer Praxen anlegen darf. Im aktuellen Fall wurde verhandelt, ob die bezahlten Anzeigen die Neutralität und Transparenz des Portals einschränken. Diesmal wog das Persönlichkeitsrecht der Ärzte schwerer als das Recht auf Information.
Fragwürdige Transparenz
jameda argumentiert, dass das Bewertungsportal die Suche nach dem richtigen Arzt für Patienten transparenter mache. Allerdings scheint jameda dabei ein zumindest diskussionswürdiges Verständnis von Transparenz zu haben. Die ZEIT fand nur wenige Tage vor der Urteilsverkündung heraus: Ärzte, an denen jameda über bezahlte Services verdient, werden bevorzugt – möglicherweise systematisch.
Auf Twitter erklärte jameda: „Das nennt man höchstens Korrelation, aber sicher nicht Kausalität und schon gar nicht Verbrauchertäuschung. Getäuscht wird hier höchstens der Leser, dem suggeriert wird, jameda nähme Einfluss auf Bewertungen. Dies ist nicht der Fall.“
Aus Patientensicht ist diese angebliche Transparenz also nicht immer wünschenswert, wenn – wie im Fall des ZEIT-Journalisten – der fähige Arzt um die Ecke in den Suchergebnissen gar nicht auftaucht.
Und auch aus Ärztesicht sind die Bewertungsportale ein zweischneidiges Schwert: Einerseits sind sie eine Möglichkeit, im Rahmen der strengen rechtlichen Vorgaben Werbung für die eigene Praxis zu machen. Doch wer dafür kein Geld ausgeben will, scheint im Vergleich mit der zahlungswilligen Konkurrenz schlechtere Karten zu haben.
Die Bundesrichter scheinen jetzt jedenfalls jamedas Neutralität zu bezweifeln. Nachdem das Urteil publik wurde, beeilte sich jameda, die Anzeigen der Konkurrenz in dem Profil der Ärztin sofort zu löschen. Das gesamte Profil löschen zu lassen, ist laut jameda aber weiterhin nicht möglich. Das Unternehmen pocht darauf, dass unvollständige Arztlisten das Recht der Patienten auf freie und informierte Arztwahl behindern.
Nichtsdestotrotz dürfte jameda jetzt das eigene Geschäftsmodell noch einmal kritisch beleuchten und in den nächsten Monaten mit einigen neuen Ideen für Aufsehen sorgen.
Den Fluch in Segen verwandeln
Bis sich die Rechtslage auch dazu ändert, bleibt nur eins: ein konstruktiver Umgang mit Arztbewertungsportalen.
Wie das geht, lässt sich zum Beispiel auf Tripadvisor oder Amazon lernen, wo Unternehmen schon seit vielen Jahren Wege gefunden haben, Bewertungsportale zu ihrem Vorteil zu nutzen. Hotels und Restaurants beispielsweise bitten zufriedene Gäste aktiv um eine Bewertung. Bei schlechten Kritiken lautet die goldene Regel: Sich für den Hinweis bedanken, ohne Schuld einzugestehen. In jedem Fall aber Gesprächsbereitschaft und Wille zur Verbesserung der eigenen Dienstleistung signalisieren. All diese Maßnahmen helfen, Kritikern im Netz den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Auch wenn Ärzte sich selbst häufig noch nicht als Dienstleister verstehen – immer mehr Patienten tun das, und bewerten Ärzte auch dementsprechend. Wer also die Mechanismen guter und schlechter Bewertungen versteht, kann das System zu seinen Gunsten nutzen.
Noch mehr Tipps zum Umgang mit Bewertungsplattformen gibt es im Merkblatt „Arztbewertungsportale“ des NAV-Virchow-Bundes. Darin erläutert die Justiziarin des Verbandes auch, wann eine Bewertung ungerechtfertigt ist und Ärzte juristisch gegen sie vorgehen dürfen. Wer konkrete rechtliche Fragen hat, kann sich kostenlos und zeitlich unbegrenzt beim Verband beraten lassen. Einzige Voraussetzung: die Mitgliedschaft im Verband der niedergelassenen Ärzte.
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