Beim letzten Ärztetag warnten Delegierte vor ausufernden Kosten für Medikamente. Das kommt gesetzlichen Krankenkassen nur allzu gelegen. Sie wünschen sich, den Nutzen für einzelne Subgruppen von Patienten zu definieren.
Auch für Mediziner ein Ärgernis: Beim 119. Deutschen Ärztetag standen hohe Preise für neue Pharmaka auf der Tagesordnung. Delegierte sahen eine finanzielle Überforderung des Gesundheitssystems und sparten nicht mit Kritik am Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz. Das AMNOG hätte, hieß es in einem Beschluss, Erwartungen hinsichtlich möglicher Einsparungen nicht erfüllt. Deshalb forderten Health Professionals von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), die Preisgestaltung bereits zu Beginn am evidenzbasierten Nachweis des Nutzens zu orientieren. „Die derzeit freie, ausschließlich am Markt orientierte Preisfestlegung für Arzneimittel im ersten Jahr nach der Markteinführung durch den pharmazeutischen Unternehmer muss abgeschafft werden“, schreiben Ärzte in einem Beschluss. Bei Krankenkassen stoßen sie offene Türen ein. v.l. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. Frank-Ulrich Montgomery und Hamburgs erster Bürgermeister Olaf Scholz beim Ärztetag 2016. Foto: Christian Griebel, helliwood.com / Bundesärztekammer
Jetzt hat der GKV-Spitzenverband ein neues Konzeptpapier zur nutzenorientierten Erstattung von Arzneimitteln vorgestellt. Dass verschiedene Patientengruppen auch unterschiedlich von Präparaten profitieren, ist kein Geheimnis. Momentan handeln Krankenkassen und Hersteller einen Mischpreis über alle Gruppen hinweg aus. Hier setzt das neue Modell mit unterschiedlichen Kosten an. Der GKV-Spitzenverband stellt sich vor, für jeden Personenkreis künftig einen unterschiedlichen Obolus zu vereinbaren. Startpunkt wäre ein Basispreis, der sich an Vergleichstherapien orientiert. Jeder zusätzliche Benefit würde sich in Form von Aufschlägen äußern. Das Modell sieht zudem Ausschlusskriterien vor. Reicht ein Unternehmen kein Dossier mit Daten ein oder ist das neue Präparat schlechter als etablierte Therapien, greifen Kassen vielleicht schon bald nicht mehr in ihre Tasche.
Das Konzept wirft hinsichtlich der Umsetzbarkeit etliche Fragen auf. Krankenkassen sehen vor allem mehr Qualität bei der Versorgung. Allerdings müssten weitere Parameter per Software erfasst werden: Für welche Subgruppe hat ein bestimmtes Präparat welchen Mehrwert – und zu welcher Subgruppe gehört der Patient? Um Hochpreiser als GKV-Leistung zu verschreiben, müssten beide Parameter übereinstimmen. Das kann noch dauern.
Hermann Gröhe hat als Ergebnis des Pharmadialogs jedoch Reformideen vorgestellt. Er will Maßnahmen erarbeiten, um „im Einzelfall eine flexiblere Auswahl der für die Erstattungsbetragsverhandlung maßgeblichen wirtschaftlichen und zweckmäßigen Vergleichstherapie“ zu ermöglichen. Legen Hersteller keine Dossiers vor, kann sich der Bundesgesundheitsminister auf Sanktionen vorstellen. Und nicht zuletzt ist von einer Umsatzschwelle bei neuen Präparaten im ersten Jahr die Rede. Zahlen nennt in Berlin noch niemand.