Vorurteile machen auch vor Psychotherapeuten nicht Halt. Eine Untersuchung aus den USA zeigte kürzlich, dass Therapeuten besonders auf Terminanfragen von schwarzen Patienten aus ärmeren Schichten voreingenommen reagieren.
Für viele kostet es Überwindung, sich therapeutische Hilfe zu suchen. Umso frustrierender, wenn dann keine Rückmeldung auf die Anfrage beim Psychotherapeuten kommt. Eine amerikanische Studie hat nun untersucht, ob sich Vorurteile seitens der Therapeuten auf Terminvereinbarungen mit potenziellen Patienten auswirken. Für die Untersuchung wurden Schauspieler engagiert, die 640 Therapeuten in New York anriefen und ihnen auf Band sprachen. Dabei setzen sie Namen, Vokabeln und grammatikalische Besonderheiten ein, die die Zugehörigkeit zu bestimmten ethnischen und sozialen Gruppierungen suggerierten. In allen Nachrichten sagten die Anrufer, sie hätten sich in letzter Zeit niedergeschlagen gefühlt, wären krankenversichert und würden gerne einen Termin vereinbaren. Dabei wurde zum Beispiel der Name „Amy Roberts“ verwendet, um nahezulegen, dass es sich um eine weiße Patientin aus der Mittelschicht handelt. Der Name „Latoya Johnson“ wurde hingegen für den Anruf einer schwarzen Frau der Mittelklasse genannt. Um auf einen Patienten aus sozial schwächer gestellten Bevölkerungsschichten hinzudeuten, drückte sich der Anrufer vermehrt umgangsprachlich aus und machte außerdem einige grammatikalische Fehler. Anschließend wurde eine Woche auf Rückrufe der Therapeuten gewartet, die wiederrum auf einen Anrufbeantworter sprachen. Ausgewertet wurde, ob der Therapeut einwilligte, den neue Patienten zu dem vorgeschlagenen Termin (unter der Woche abends) in seine Praxis einzuladen. Große Hürden im Bereich der psychischen Gesundheitsversorgung/Gesucht: Weiß, Weiblich, Mittelschicht Die Ergebnissen zeigen, auch Therapeuten haben Vorurteile: So erhielten 28 Prozent der weißen Mittelschicht-Patienten ein Terminvorschlag gemacht, bei den Schwarzen waren es nur 17 Prozent. Noch schwerer hatten es die Anrufer, denen man anhören sollte, dass sie aus finanziell schwächeren Verhältnissen kommen: Unabhängig von der Hautfarbe, erhielten hier nur 8 Prozent einen Rückruf mit Terminangebot. Im direkten Vergleich zeigte sich außerdem, dass die weiße Mittelklasse-Frau von Therapeuten für den begehrten Abendtermin unter der Woche bevorzugt eingeladen wurde – 16 von 80 Therapeuten beantworteten eine solche Anfrage positiv. Dieselbe Anfrage eines schwarzen Mannes aus ärmeren Bevölkerungsschichten erhielt nur eine einzige positive Rückmeldung. Studienautorin Heather Kugelmass, Doktorandin an der Princeton University, merkte an, dass auch Psychotherapeuten keineswegs immun gegen Vorurteile und Stereotype seien. Die Studienergebnisse weisen auf große Hürden im Bereich der psychischen Gesundheitsversorgung hin, die weit über das Problem unzureichender Krankenversicherungen hinausgehen. „Einen Zugang zu Krankenversicherungen zu schaffen, reicht möglicherweise nicht aus, um einen gleichberechtigten Zugang zu [Psycho]therapien zu schaffen “, so Kugelmass weiter. Originalpublikation: [Paywall] Sorry, I’m Not Accepting New Patients. An Audit Study of Access to Mental Health Care Heather Kugelmass, An Audit Study of Access to Mental Health Care, doi: 10.1177/0022146516647098