Hepatitis E-Infektionen nehmen in Deutschland zu. Als eine der Hauptübertragungsquellen gelten Lebensmittel, die rohes Schweinefleisch enthalten, wie etwa Wurst. Verbraucherschützer fordern mehr Aufmerksamkeit und Maßnahmen gegen die Erkrankung.
Prominente Hepatitis-Formen wie A, B oder C sind den meisten Menschen in der Bevölkerung ein Begriff. Für Ärzte gehört das Wissen über diese Erkrankungen zum Standard. Bei Hepatitis E war dies bislang weniger der Fall. Doch das könnte sich bald ändern, denn in den vergangenen Jahren stieg die Zahl der Erkrankungsfälle in Deutschland deutlich an. So erfasste das Robert Koch-Institut im Jahr 2014 insgesamt 670 Fälle der meldepflichtigen Infektionskrankheit, im Jahr 2015 hatte sich die Zahl der Erkrankungen mit 1.246 Fällen bereits nahezu verdoppelt. Warum es zu diesem drastischen Anstieg der Hepatitis-E-Fälle kommt, ist noch nicht zweifelsfrei geklärt. Während Experten des Robert Koch-Instituts davon ausgehen, dass es sich um eine scheinbare Zunahme aufgrund einer häufigeren und sensitiveren Diagnostik handelt, beschuldigen Verbraucherschützer die Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie, da sie große Mengen infizierten Schweinefleischs in Verkehr bringen.
Das Hepatitis E-Virus (HEV) kommt auf der ganzen Welt vor, allerdings mit unterschiedlicher Verteilung der 4 relevanten Genotypen. Während in Afrika und Asien die vorherrschenden Genotypen 1 und 2 die häufigsten Auslöser akuter Virushepatitiden sind, gilt in Deutschland, wie auch in anderen europäischen Ländern, Genotyp 3 als endemisch. Hauptübertragungswege in den Tropen sind kontaminiertes Trinkwasser und Lebensmittel. Vor einigen Jahren noch nahmen deutsche Ärzte Hepatitis E-Fälle hauptsächlich als eingeschleppte Reiseerkrankung wahr. Inzwischen ist jedoch klar, dass sich in Deutschland die Mehrzahl der Betroffenen auch hierzulande infiziert haben. Besonders bedeutsam ist dabei der zoonotische Übertragungsweg. Als Virusreservoir gelten dabei in erster Linie Haus- und Wildschweine. Zu Infektionen kann es entsprechend kommen, wenn kontaminiertes rohes oder unzureichend erhitztes Schweinefleisch verzehrt wird. Auch Lebensmittel wie Mettwürste oder Salami können – da sie rohes Schweinefleisch enthalten – Hepatitis E-Viren enthalten. Daneben kann das Virus auch durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren oder deren Ausscheidungen übertragen werden, insgesamt seltener, jedoch ebenfalls möglich sind Infektionen durch Blutkonserven sowie durch den direkten Kontakt zu Erkrankten. Von klinischer Bedeutung sind jedoch vor allem Hepatitis E-Infektionen in tropischen Ländern: In der Regel treten typische Hepatitis-Symptome wie Ikterus, Oberbauchbeschwerden und Abgeschlagenheit auf, teilweise sind auch neurologische Manifestationen z.B. Meningitiden oder das Guillain-Barré-Syndrom möglich. Im Gegensatz dazu verlaufen HEV-Infektionen mit Typ 3 in europäischen Breiten überwiegend symptomlos oder so mild, dass sie bestenfalls an eine leichte Magen-Darm-Grippe denken lassen. Für eine Verharmlosung der Hepatitis E in Deutschland gibt es dennoch keinen Grund, denn bestimmte Risikogruppen wie Immunsupprimierte, Transplantations-Patienten sowie Schwangere erkranken mitunter schwer an der Infektion.
Untersuchungen verschiedener Forschungseinrichtungen, darunter auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), beziffern die Durchseuchung deutscher Schweinebestände mit Hepatitis E-Viren mit 40 bis 50 %. Angesichts von rund 17 Millionen Schlachtschweinen in Deutschland kommt man auf eine beeindruckende Menge an infiziertem Schweinefleisch, das in den Verkehr gelangt. Denn da die Virusträger unter den Tieren selbst nicht erkranken, lassen sie sich nicht von virusfreien Schweinen unterscheiden. Verbraucherschützer sehen vor allem hier den Zusammenhang zu den kontinuierlich steigenden Zahlen von Hepatitis E-Fällen in Deutschland und fordern nun auch von Regierungsseite mehr Schutz für die Bevölkerung. Matthias Wolfschmidt, Veterinärmediziner und stellvertretender Geschäftsführer der Organisation foodwatch © Darek Gontarski/foodwatch „Die Bundesregierung weiß, dass jedes Jahr rund 1,8 Millionen Schweine mit infektiösen Hepatitis E-Viren geschlachtet und vermarktet werden“, sagte Matthias Wolfschmidt, stellvertretender Geschäftsführer der Verbraucherschutzorganisation foodwatch. „Der Kontakt mit diesen Schweinen, aber auch der Verzehr von daraus erzeugten Mett- und Rohwürsten stellt daher ein ernstes Infektionsrisiko dar. Angesichts drastisch steigender Neuinfektionen muss die Bundesregierung umgehend dafür sorgen, dass Fleisch und Innereien von Hepatitis E-infizierten Schweinen nicht mehr roh an Endverbraucher abgegeben werden dürfen.“ Auf politischer Ebene herrscht indessen Uneinigkeit darüber, was zum Infektionsschutz unternommen werden sollte. So folgt die Verbraucher- und Tierschutzbeauftragte der Grünen in Bayern der Forderung von foodwatch, serologische Routinetests in Schweineställen einzusetzen. „Wenn sich in einem Fünftel der Proben von Rohwurst und Schweineleber Erreger von Hepatitis E finden lassen, muss der Gesetzgeber darauf reagieren“, argumentiert die studierte Agrarwissenschaftlerin. Offen bleibt allerdings die Frage, was mit positiv getesteten Schweinen geschehen soll. Denn würde nahezu jedes 2. Schwein als Virusträger identifiziert und dürfte als Konsequenz nicht mehr als Rohware in Verkehr gebracht werden, wäre der wirtschaftliche Schaden immens. Möglicherweise könnte darin der Grund für die Zurückhaltung seitens der Politik liegen. Denn laut bayerischem Verbraucherschutzministerium seien zunächst weitere „gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse nötig“, bevor konkrete Maßnahmen geplant werden.
Auch von Seiten des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gibt es bislang keine konkreten Pläne zur Bekämpfung des Virus. Das Ministerium stützt sich bis dato auf die Empfehlungen des BfR alle Lebensmittel, die Schweinefleisch enthalten vor dem Verzehr entsprechend durchzugaren, bzw. auf Rohwaren wie Mett oder kurzgereifte Rohwürste gänzlich zu verzichten. Insbesondere Risikogruppen wie Schwangere oder Immungeschwächte sollten sich laut BfR an diese Hygieneempfehlungen halten. Auch wenn Hepatitis E in Deutschland für die meisten Menschen keine Bedrohung darstellt, verdient die Erkrankung aufgrund der steigenden Fallzahlen eine angemessene Aufmerksamkeit. Ein positiver Aspekt ist immerhin, dass Hygieneregeln beim Umgang mit tierischen Lebensmitteln, wie das vollständige Durchgaren von Schweinefleisch, sowie das getrennte Verarbeiten von Fleisch und rohen Lebensmitteln bei der Zubereitung von Speisen, nochmal stärker in den Fokus geraten – indem sich Verbraucher daran halten, schützen sie sich nicht nur vor Hepatitis E, sondern auch vor einer Reihe anderer teilweise schwerwiegender Erkrankungen.