Ab 9. Februar 2019 gelten EU-weit strenge Vorgaben für Arzneimittel: Rezeptpflichtige und teilweise auch frei verkäufliche Präparate müssen mit klar definierten Sicherheitsmerkmalen versehen sein. Was bedeutet Serialisierung und wie können die Maßnahmen Anwender vor Arzneimittelfälschungen schützen?
Bereits im Juli 2011 veröffentlichte die Europäische Kommission die „Falsified Medicines Directive“, zu Deutsch Arzneimittelfälschungsrichtlinie 2011/62/EU1. Die mit Januar 2013 in Kraft getretene Richtlinie wurde in weiterer Folge in die delegierte Verordnung 2016/1612 und somit in nationales Recht übertragen, und im Februar 2016 veröffentlicht. In Österreich sind die darin enthaltenen Vorgaben innerhalb von drei Jahren nach Veröffentlichung der Verordnung und somit bis 9. Februar 2019 umzusetzen. Für Länder mit bereits vorexistierenden Systemen gilt eine längere Umsetzungsfrist von neun Jahren (Abb. 1).
Die AMVO
Um die Vorgaben der EU-Verordnung, ein nationales Verifizierungssystem für rezeptpflichtige Arzneimittel in Österreich zu implementieren, umzusetzen, gründeten mehrere Verbände die Austrian Medinices Verification Organisation (AMVO). Gemeinsam steuern Apothekerkammer, Ärztekammer, Pharmig (Verband der pharmazeutischen Industrie Österreich), OeGV (Österr. Generikaverband) und PHAGO (Österr. Arzneimittelgroßhändler) national die Umsetzung der Sicherheitsmerkmale und schaffen so die Basis für eine in Zukunft noch größere Garantie für die Echtheit von Medikamenten in Apotheken. Die AMVO ist dafür verantwortlich, alle erforderlichen Prozesse zu planen und umzusetzen, die Kosten dafür werden zur Gänze von der pharmazeutischen Industrie getragen.
Die Sicherheitsmerkmale: Data Matrix Code und Anti Tampering Device
Die Verordnung sieht im Wesentlichen die Einführung von Sicherheitsmerkmalen vor, die in Form einer eindeutigen Identifizierung (sg. „unique identifier“) als Data Matrix-Code auf die Sekundärverpackung aufgebracht wird. Der Data Matrix-Code soll die Überprüfung der Echtheit und Identifizierung einzelner Verpackungen gewährleisten und enthält klar definierte Informationen: Produktnummer (EAN Code, National Trade Identification Number), Serialisierungsnummer, Ablaufdatum und Chargennummer (Abb. 2). Die Serialisierungsnummer wird dabei für jede Packung individuell generiert und ist daher eindeutig zuordenbar.
Neben dem Data Matrix Code zählt das Anti Tampering Device zu neuen Sicherheitsmerkmalen. Das Anti Tampering Device ist eine Vorrichtung zum Schutz vor Manipulationen der Außenverpackung (unberechtigtes Öffnen der Sekundärverpackung). Es kann z.B. in Form eines Sicherheitssiegels oder einer Perforation ausgeführt sein (Abb. 3).
Welche Arzneimittel sind betroffen?
Die Arzneimittelfälschungsrichtlinie und deren delegierte Verordnung sind auf alle verschreibungspflichtigen (Rx) Arzneimittel anzuwenden. Eine Ausnahme bilden solche Präparate, die auf einer sogenannten „white list“3 aufgeführt sind. Diese sehr kurz gehaltene Liste der Ausnahmen umfasst nur bestimmte Produktgruppen, wie z.B. Homöopathika, Kontrastmittel, Radionuklide oder Allergietests.
Auf rezeptfreie Arzneimittel sind Richtlinie und Verordnung generell nicht anzuwenden. Ausnahmen bilden jene Präparate, die, im Unterschied zur „white list“ der Rx-Produkte, auf einer sogenannten „black list“4 aufgeführt sind. Diese schwarze Liste wurde basierend auf dem Fälschungsrisiko des jeweiligen Präparats erstellt.
AMVS und European Data Hub
Um eine lückenlose Nachverfolgbarkeit jeder einzelnen Packung nach Vorgabe der Europäischen Kommission sicherstellen zu können, muss das in Österreich zu implementierende Datenspeichersystem an ein zentrales europäisches System, den „European Data Hub“, angebunden werden.
Der European Data Hub wird schlussendlich 32 Länder und 2.500 Hersteller miteinander verbinden, die technische Aufrüstung betrifft mehr als tausend Großhändler und Apotheken in ganz Europa. Jährlich werden EU-weit 10,5 Milliarden Packungen EU-weit serialisiert, also mit Sicherheitsmerkmalen versehen. Die Zahlen für Österreich sind nicht minder beeindrucken (Abb. 4).
Unter www.amvs-medicines.at stellt der Verband umfangreiche Informationen zur Serialisierung und Verifizierung von Arzneimitteln zur Verfügung.
Ein Ziel: Mehr Sicherheit für die Patienten
Mit der Umsetzung der Serialisierungs- und Verifizierungsvorgaben durch die Partner der Arzneimittellieferkette – von der Industrie über den Großhandel bis hin zu den Apotheken – wird vor allem eines erreicht: die Arzneimittelsicherheit, die in Österreich bereits auf sehr hohem Niveau liegt, wird durch das EU-weite Projekt noch weiter vorangetrieben. Der Schulterschluss aller Beteiligten schafft eine weiter und deutlich höhere Hürde für Arzneimittelfälscher und ihr skrupelloses Geschäft mit der Gesundheit tausender Anwender in der EU.
Referenzen
1 Richtlinie 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates […] zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel hinsichtlich der Verhinderung des Eindringens von gefälschten Arzneimitteln in die legale Lieferkette
2 Delegierte Verordnung (EU) 2016/161 der Kommission […] Festlegung genauer Bestimmungen über die Sicherheitsmerkmale auf der Verpackung von Humanarzneimitteln (EN: Commission Delegated Regulation (EU) […] laying down detailed rules for the safety features appearing on the packaging of medicinal products for human use)
3 Delegierte Verorndung (EU) 2016/161, Anhang I
4 Delegierte Verordnung (EU) 2016/161, Anhang II
Quellen und weiterführende Links
SAAT.SA.18.01.0005