Wie funktioniert die Versorgung mit Medikamente in großen Höhen? Extrembergsteiger Robert Schauer erzählt von seinen Erfahrungen als dreifacher Besteiger des Mount Everest.
Einmal einen Achttausender zu bezwingen ist für viele Menschen ein Lebenstraum. Der Alpinist und Organisator des Mountainfilm International Film Festivals Graz (www.mountainfilm.com), Robert Schauer, war bereits dreimal am „Dach der Welt“. Welche Medikamente man bei einer solchen Tour dabeihaben sollte und wie man sich die „höchste Apotheke der Welt“ vorstellen kann, erzählt er im Interview.
Wie weit entfernt ist denn die nächste richtige Apotheke vom Everest Basecamp?
Bei meiner ersten Everest-Tour 1978 war die nächste richtige Apotheke vom Basislager ca. 3-4 Tage Fußmarsch entfernt. Daher haben wir uns für alle erdenklichen Fälle entsprechende Medikamente für den Zeitraum von 2 Monaten selbst mitgenommen. Damals hatten wir eine stattliche Grundversorgung dabei, zumal zwei Ärzte in unserer Gruppe waren, die sich mit Höhenphysiologie beschäftigten: Univ. Prof. Dr. Raimund Margreiter und Dr. Oswald Ölz. Heute gibt es im Basislager ein temporäres „Lazarett“ in Form eines großen beheizbaren Zeltes für die Erstversorgung. Damit verbunden besteht heute verstärkt die Möglichkeit, Patienten mit dem Hubschrauber nach Katmandu zu evakuieren. Die Situation hat sich – verglichen mit 1978 — wesentlich verbessert. Es ordinieren dort erfahrene Ärzte und Ärztinnen, meist aus Neuseeland oder den USA stammend, die natürlich auch eine Apotheke führen.
Basislager am Mount Everest (c) Robert Schauer (privat)
Wie funktioniert die Versorgung mit Medikamenten auf über 6000 Meter?
Im Wesentlichen ist da jeder auf sich allein gestellt aber natürlich teilt man sich die mitzuführenden Medikamente. Am Everest im vorgeschobenen Basislager in ca. 6400 m Höhe hat jede Expeditionsgruppe zumindest einen Container mit den notwendigsten Präparaten, deren Verwendung im Vorfeld allen Teilnehmern zu vermitteln ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass oft in Stresssituationen, nach einem dramatischen Ereignis und bei extrem schlechten Witterungsbedingungen Fehler gemacht werden.
Welche Medikamente muss ein Bergsteiger in diesen extremen Höhen dabei haben?
Die Liste jener Medikamente die man in diesen Höhen mitführen sollte, ist natürlich individuell verschieden. Aber grundsätzlich gilt, dass gegen Kopfschmerzen, Erkältung, grippale Infekte, sowie wirklich wirkungsvolle Essenzen gegen den oft quälenden Höhenhusten der einem u.U. den Gipfelgang verunmöglicht und natürlich Präparate gegen die akute Höhenkrankheit – Lungen- und Gehirnödem, mitzuführen sind.
Wie kann man der Höhenkrankheit vorbeugen?
Am besten bereitet man sich vor – vorausgesetzt man ist generell gesund und mit einem hohen Konditionspotenzial ausgestattet – wenn man sich langsam an die Höhenlagen anpasst, also akklimatisiert. Man kann nicht in einem Zug auf einen Achttausender, nicht einmal auf einen Fünftausender, ohne sich zuvor der Höhe angepasst zu haben. Es gibt praktisch keine Medikamente die einem diesen Prozess abnehmen, lediglich die Möglichkeit sich schon zu Hause in einem entsprechenden luftdichten Zelt auf den geringeren Sauerstoffgehalt der Höhenluft einzustellen, wobei der geringe Sauerstoffpartialdruck, wie er in der Höhe vorherrscht, nicht simuliert werden kann. Erfahrungsgemäß ist die beste Vorbeugung gegen die Symptome der Höhenkrankheit ein sich kontinuierlich, mit einigen Auf- und Abstiegen verbundenes „Höherschieben“, welches mit ausreichenden Erholungsphasen in tieferen Lagen verbunden sein sollte.
Erzählen Sie von Ihren persönliche Erfahrung während ihrer drei Everest-Touren. Was haben Sie durch diese Touren für sich mitgenommen?
Das Potenzial aus den gesammelten Erfahrungen ist ungemein reich und vielfältig, sodass es in wenigen Zeilen nicht beschrieben werden kann. Aus meiner persönlichen Sicht kann ich – bei allen Erfolgen und Misserfolgen – für mich sagen im Grunde immer die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben. Unter anderem zähle ich zu den wenigen Menschen, die nach rund 40 Jahren Extremalpinismus noch alle Extremitäten tadellos einsetzen können.
Über Robert Schauer
Hans-Robert Schauer, geboren 1953 in Graz, ist österreichischer Bergsteiger und Filmemacher. Er bestieg unter anderem fünf Achttausender, davon dreimal den Mount Everest, den er 1978 zum ersten Mal bezwang. Die Zweitbesteigung, diesmal als Mitglied eines Kamerateams, erfolgte 1996, die dritte im Jahr 2004. Mehr >>
SAAT.SA.18.01.0005